Kino

Stefanie Sargnagel: „Ang’fressen, müde, unmotiviert – das war leicht zu spielen“

Die Wiener Autorin und Social-Media-Aktivistin Stefanie Sargnagel wird verehrt und gehasst. Gemeinsam mit der Schauspielerin Hilde Dalik, die sie in einer neuen Filmkomödie verkörpern will, erklärt die Künstlerin hier, wie sie als Kino-Antiheldin nur eine Variante ihrer selbst spielte. [E-Paper]

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Was Stefanie Sargnagel genau beruflich tut, ist gar nicht leicht zu sagen. Manche sehen in ihr die Schriftstellerin und Cartoonistin, andere eher das It-Girl, eine Social-Media-Entertainerin und Influencerin, wieder andere meinen in ihr vor allem eine politische Kabarettistin oder eine Aktionskünstlerin zu erkennen. Fest steht, dass die 35-jährige Wienerin unentwegt arbeitet. Sie zeichnet, schreibt, liest, spielt, postet, provoziert und kommentiert. Leicht phlegmatisch tritt sie auf, als hielte sie die Dinge, die um sie herum geschehen, für weitgehend belang- und bedeutungslos, aber auch das gehört zum hintergründigen Witz ihrer Persona. In der Schärfe mancher Diskussionsbeiträge, die sie frei Haus liefert, liegt das Bekenntnis, dass sie die herrschenden Verhältnisse, die Xenophobie und den Sexismus, die Profitgier, den Rassismus und den Selbstoptimierungswahn  für widerwärtig und also bekämpfenswert hält; so wurde sie, fast notgedrungen, zu einer Wortführerin der jungen Linken, zur wundersamen Heldin einer neuen außerparlamentarischen Opposition.

Auf Instagram hat Sargnagel mehr Follower als Gernot Blümel, Karoline Edtstadler und Elli Köstinger zusammen, auf Twitter sieht es ähnlich aus. Die Regierenden können mit Sargnagel keine große Freude haben, lustvoll legt sie sich, wo es geht, mit Boulevard, Bigotterie und Rechtspopulismus an. Das Feld der politischen Comedy allein wäre ihr allerdings zu eng; sie legt Wert auf die Freiheit, auch Alltagssatirisches oder schlicht Albernes in die Welt zu setzen. Aber es sind letztlich die Originalität und die nötige Respektlosigkeit ihrer politischen Interventionen, die Stefanie Sargnagel, nebenberuflich auch Obfrau der feministischen Aktions-Burschenschaft Hysteria, so unnachahmlich machen.

Ende nächster Woche erreicht nun ein Film Österreichs Kinos, der das Phänomen dieser auf breiter Front verehrten und ebenso wütend verachteten Künstlerin, die übrigens bei dem Maler Daniel Richter Kunst studiert hat, auszuloten versucht. Er heißt „Sargnagel – Der Film“, was anzudeuten scheint, dass darin Leben und Wirken der Titelheldin dokumentiert werden sollen. Aber das Werk ist doppelbödig; seine angeblich dokumentarische Bestandsaufnahme einer im Chaos lebenden, sozial und physisch heruntergekommenen Müßiggängerin ist als sogenannte mockumentary (eine ins Komische gewendete Schein-Doku) der Realität  entrückt. Der Film, geschrieben und inszeniert von Sabine Hiebler und Gerhard Ertl, basiert auf einer Collage aus Texten, die sich in Sargnagels Büchern „Fitness“ und „Statusmeldungen“ finden, er bezweifelt satirisch, dass es so etwas wie „die Wahrheit“ über einen Menschen geben kann.

An einem heißen Hochsommertag finden sich Stefanie Sargnagel und die Schauspielerin Hilde Dalik für ein ausführliches profil-Gespräch im Café Weidinger ein, das nicht nur als Schauplatz einiger Szenen des Films diente, sondern auch zu den Lieblingsorten seiner Protagonistin gehört. Als Stefanie Sargnagel ist diese nicht zur Welt gekommen, aber es passt ins Bild, dass ihr bürgerlicher Familienname – Sprengnagel – die subversive Kunst, an der sie so eigensinnig arbeitet, eigentlich besser noch auf den Punkt bringt als ihr Künstlername.

profil: Können Sie das Wort Kunstfigur eigentlich noch hören?
Sargnagel: Ich finde die Frage danach tatsächlich ein bisschen anstrengend. Ich denke, jede öffentliche Person ist in gewisser Weise eine Kunstfigur.
profil: Sie beide spielen in diesem vertrackten Film die Kunstfigur Stefanie Sargnagel – einmal nahe am Vorbild, einmal heiter verfehlt.
Dalik: Üblicherweise spielt man reale Personen ja erst, wenn sie tot oder weit weg sind. Mir gefiel an dem Konzept besonders, dass die Steffi sich auch selbst spielen sollte. Das war, als der Film ins Auge gefasst wurde, noch nicht klar.
profil: Er war zunächst ganz anders gedacht?
Sargnagel: Ja, diese mockumentary-Idee war, glaube ich, der letzte Einreichungsversuch. Davor war das Werk eher als normaler Spielfilm geplant.
profil: In dem Sie aber mitwirken sollten?
Sargnagel: Am Rande nur, im Rahmen eines Cameo-Auftritts allenfalls.
Dalik: Ich hätte es seltsam gefunden, einen Film über die Steffi zu drehen, in dem sie durchgängig von einer anderen Schauspielerin verkörpert werden sollte.
Sargnagel: Es wäre halt ein ganz anderer Film geworden, eine Erzählung, die auf meinen Büchern basiert. So hätte ich das verstanden: dass da eine Schauspielerin nicht mich spielt, sondern eine Figur, die auf meinen Texten beruht.

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Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.