Kultur

Neues Buch: Nick Hornby frönt seiner Leidenschaft für Genies

In seinem neuen Buch "Dickens und Prince" vergleicht der Autor den US-Musiker Prince mit dem britischen Klassiker Charles Dickens. Wie bitte?

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Einige Fakten, ehe die Rätselrallye ihren Lauf nimmt. Charles Dickens (1812–1870) war ein britischer Romancier, der berühmte Romane geschrieben hat: „David Copperfield“, „Große Erwartungen“, „Oliver Twist“. Der US-Musiker Prince (1958–2016) blieb mit den Superhits „Purple Rain“, „Kiss“, „When Doves Cry“ in Erinnerung.

Für den englischen Bestsellerautor Nick Hornby, 66, sind Dickens und Prince vertraute Gesellen lebenslanger Verehrung. „Prince und Dickens“, Hornbys jüngstes Buch, berichtet davon im Grundbrummen nervtötender Fan-Attitüde, als Knäuel aus Schwärmerei, Genie-Anbetung, Wie-ichselbst-zum-Autor-wurde-Geschichte.

Hornby kriecht beim Schreiben förmlich auf dem Bauch, was noch keinem Buch wirklich gutgetan hat. Was wiederum schade ist, weil der Brite („High Fidelity“) bekannt dafür ist, sich in seine jeweils gewählten Themen super-nerdig einzuarbeiten: Dickens’ Romane, so rechnet Hornby vor, umfassen rund vier Millionen Wörter; der Spaziergänger Dickens legte pro Tag 20 Kilometer mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von sechs Kilometern pro Stunde zurück; das posthume Prince-Boxset-Album „Sign o’ the Times“ (2020) enthält 63 Songs. Leider wird in „Prince und Dickens“ Hornbys immenses Wissen über Pop-Prinz und Prosa-Klassiker von gnadenlosem Geniekult vernebelt.

Weshalb überhaupt die Paarung Dickens und Prince? Warum nicht George Eliot und Amy Winehouse? Thackeray und Ringo Starr? Am Ende aller Argumentation für den auserkorenen Paarlaufbleibt Hornbys dürftige Erkenntnis, dass der Musiker und der viktorianische Autor veritable Arbeitstiere gewesen seien, selbstredend von gutherzigen Kunstgöttern gehätschelt: „Jeder winzige Schritt ihres Lebens, jede einzelne elterliche Entscheidung, jede Schulstunde, jeder Freund, jeder Onkel, jede Zeitschrift, jede Verliebtheit, jedes Gespräch, jeder Ladenbesitzer hat dazu beigetragen, dass sie so wurden.“ Hornbys durchaus glaubhaftes Unterfangen, sich Dickens und Prince über Jahrzehnte hinweg zu nähern, deren ausufernde Werklisten essayistisch zu umkreisen, gerät durch Sätze aus dem Repertoire der Küchenpsychologie immer wieder ins Stocken. Wenn Hornby notiert, die beiden seien Größen „ohne Ausschalter“ gewesen, dann evoziert er unfreiwillig komisch das Bild dahinhoppelnder KulturDuracell-Hasen.

Biografische Splitter berühmter Leuten ergeben nicht annähernd ein Bild. Kühn konstruierte Ursache-Wirkung-Bögen helfen ebenfalls nicht weiter. Hornby greift tief in den Baukasten mit Altersweisheiten – und öffnet doch nur die Schublade mit den Standardsätzen. „Dickens musste Schriftsteller und Prince musste Musiker werden, unbedingt“, schreibt der Autor, beseelt von einem Uralt-Geniebegriff, der gern mit Funke und Feuer verfährt. Sobald Dickens und Prince ihre triste Teenagerzeit hinter sich gelassen hätten, bemerkt Hornby, „entflammten sie beide und steckten die Welt in Brand“. Dickens war ein exzellenter Beobachter, Prince von Kindesbeinen an fasziniert von Musikinstrumenten. Diese „Bündel persönlicher Merkmale“, so wird in „Prince und Dickens“ diagnostiziert, „konnten nur zu diesen Ergebnissen führen“. Siehe Dickens, der mit Mitte 20 vom Arbeiter in einer Schuhpoliturfabrik über den Umweg Schreibkraft am Gericht ins Schriftstellergewerbewechselte: „Er berichtete über Scheidungen und Testamente, und man kann die Arbeit förmlich in den Kopf des Schriftstellers hineinfließen sehen: Anwälte, Gerichtsprozesse, komplizierte und mysteriöse Erbsachen, gluck, gluck, gluck.“ Irgendwas isthier leck. Selbst die Scherze geraten Hornby onkelhaft: „Diese außerordentlich schöpferischen Gehirne müssen 1000 Jahre alt gewesen sein.“ Mindestens. Gluck.

Nick Hornby: Prince und Dickens. Unvergleichliche Genies. Aus dem Englischen v. Stephan Kleiner. Kiepenheuer & Witsch. 160 S., EUR 16,50

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.