Neuer Roman von Michel Houellebecq: Porno, Prozess und Paragrafen
Es bedarf einer Anmoderation, um „Einige Monate in meinem Leben (Oktober 2022–März 2023)“ halbwegs einzuordnen: Im neuen Buch von Michel Houellebecq, Frankreichs personifiziertem Literaturskandal, geht es um Porno, Paragrafen und Prozesse. „Kakerlake“, „Sau“, „Viper“, „Pute“: Mit Namen dieser Güteklasse deckt Houellebecq seine Gegner vor Gericht ein. Kurz zur Vorgeschichte: Houellebecq hatte mit dem niederländischen Filmemacher Stefan Ruitenbeek (gleich „Kakerlake“) vom Kunstkollektiv Kirac einen Vertrag geschlossen, in dem der 67-jährige Autor sich bereit erklärte, vor der Kamera Sex mit jungen Frauen („Sau“) zu haben. Nach dem Trailer mit den gefilmten Szenen wollte Houellebecq den Film verbieten lassen. Im März wurde ihm das Recht eingeräumt, die gesamte Eskapade vor Veröffentlichung zu sehen, allenfalls neue Klage einzureichen.
„Einige Monate in meinem Leben“ ist von angewandter Ambivalenz: Houellebecq geriert sich in Interviews gern als Erotikkraftkerl, dem das Prostituiertenmilieu ebenso vertraut sei wie die Liebe zu seiner Ehefrau Lysis. Aber Obacht! Man verfinge sich vollends in Houellebecqs Prosa-Fallen, würde man sein Werk und Wirken als reine Orgie der Selbstinszenierung begreifen. Man sollte ihm, dem kichernden Literatur-Teufelchen, nicht leichtfertig auf den Leim gehen. In „Einige Monate“ blamiert sich Houellebecq allerdings bis auf die Knochen. Ist das Buch eine nachgereichte Rechtfertigung? Eine Chronik des vermeintlichen Getäuscht-worden-Seins? Man wird nicht schlau, derart suhlt sich Houellebecq im Unglück: in der Tragödie eines lächerlichen Mannes. „Wie das Objekt in einer Tierdokumentation“, sei er sich vorgekommen: „Aber mein Privatleben war bislang immer vergleichsweise verschont geblieben.“