Neues Album „Donda“: Kanye Wests Predigt fürs Puzzle
Mutter-Komplex, Gottkomplex, vielleicht auch ein Napoleon-Komplex: Das Persönlichkeitsprofil des US-Rappers Kanye West, 44, ist durchaus vielfältig. Mal ist West Präsidentschaftskandidat, dann Modedesigner, eigentlich macht er Musik, zwischendurch predigt er Spirituelles. Der Musiker und der Prediger scheinen sich in ihm zunehmend zu vereinen: Auch das neue, mehrmals verschobene Album „Donda“ knüpft an den christlich geprägten Gospel-Vorgänger „Jesus Is King“ an.
Es ist komplex, roh und bewegt sich auf der gewohnten Ebene zwischen Genie und Wahnsinn. Wiederholt setzt er sich mit der Beziehung zu seiner 2007 verstorbenen Mutter auseinander, die auch als Namensgeberin für das Album fungiert. Schon auf dem 2008 erschienen „808s & Heartbreak”, rückblickend ein wegweisendes Album, hat er ihren Tod behandelt. Ein weiteres Thema darauf: Die Trennung von seiner damaligen Verlobten. Jetzt steht auch die Beziehung zu Kim Kardashian scheinbar vor dem Ende. Seine Lebensthemen wiederholen sich und Kanye findet – so religiös er auch wird – keine Erlösung.
Kontroverser Stolperstein ist der Song „Jail pt 2“ mit Marilyn Manson und DaBaby. Manson sieht sich aktuell mit Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert, DaBaby nach homophoben Äußerungen mit Shitstorms. Bei derart streitbaren Gästen wirkt es fast, als überspanne West bewusst den Bogen, um sein Narrativ als Provokateur zu stärken. Die Musik steht schon lange nicht mehr im Zentrum. „Donda“ ist solide, aber nur ein Puzzlestück in jenem umfassenden Performance-Kunstwerk, das Kanye West darstellt.
Jetzt auf Spotify: Die Songs der Woche von Lena Leibetseder und Philip Dulle in der Aufgedreht-Playlist. Jeden Freitag neu. Mit Kanye West.