Weihnachten

Oh du Trunkene! Wie es um die Architektur der Adventmärkte steht

Welche Architektur braucht der Mensch, um Punschdauerparty und Frostkälte mit heiler Haut zu überstehen? Ein Spaziergang durch drei Wiener Weihnachtsmärkte.

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Mitte November geht es los. Tralala-Musik tönt von fern und nah. Holzhüttchen sprießen aus dem Betonboden. Glühwein und Punsch fließen hektoliterweise. Allein in Wien öffnen 14 Märkte mit insgesamt 777 Ständen, darunter 179 Gastro-Stationen. „In keiner anderen Stadt in der EU gibt es mehr Weihnachtsmärkte als hier“, verlautbart die Kommune auf ihrer Website. Ganz Wien ist weihnachtlich entzückt. Ach was, ganz Europa.

Welche Architektur aber braucht der Mensch, um Punschdauerparty und Frostkälte, die einem sämtliche Gliedmaßen einstülpen will, mit heiler Haut zu überstehen? Spielt bauliche Ästhetik auf Christkindlmärkten überhaupt eine Rolle? Was würde schließlich Adolf Loos, der 1933 verstorbene Fürsprecher der minimalen Form, dazu sagen? In Loos’ Leittext „Ornament und Verbrechen“, 1908 verfasst, finden sich Sätze wie dieser: „Ornament ist vergeudete Arbeitskraft und dadurch vergeudete Gesundheit.“

Stefan Beer ist der ideale Begleiter, um Fragen nach Bauart und Gebäudefunktionalität der Weihnachtsmarktarchitektur zu beantworten. „junger_beer architektur“ nennt sich das vor 25 Jahren von Martin Junger und Stefan Beer, 53, gemeinsam gegründete Büro im 7. Wiener Gemeindebezirk. Junger und Beer haben Villen gebaut, Dachausbauten geplant, Arztpraxen und Wohnbauten realisiert, vom Bodensee bis zum Neusiedler See.

Beers Standpunkt beim Spaziergang durch drei Wiener Adventmärkte ließe sich am ehesten so festlegen: Er steht mittendrin im Vorweihnachtsrummel, aber irgendwie auch sehr weit fernab. Er hat von sich aus lange keinen Freiluftmarkt unterm Weihnachtsbaum mehr besucht. Auf der Exkursion zwischen Karlsplatz und Rathausplatz mit dem Ziel MuseumsQuartier zeigt sich Beer vom Weihnachtsmarktphänomen zumindest während dieses abendlichen Streifzugs durchaus angetan. Müsste man eine Kurzformel für das seit dem Mittelalter belegte Kuriosum Wintermarkt erstellen – ein Wiener Dezembermarkt geht bis ins Jahr 1382 zurück –, sie könnte wie folgt lauten: Alkohol, Amüsement, Ambiente, Arschkälte. Die vier As der saisonalen Absatzmärkte.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.