Ohne falsche Gefühlsduselei: „Follies“ an der Wiener Volksoper
Auf dem Plakat glänzt Hollywoodstar Hedy Lamarr als Revue-Showgirl; die gebürtige Wienerin Hedwig Kiesler stellt die Verbindung zur Volksoper her, in der gegenwärtig Stephen Sondheims nostalgisch-munteres Erfolgsmusical „Follies“ als österreichische Erstaufführung gezeigt wird. Wie schon in seiner Dresdner Urinszenierung hat Regisseur Martin G. Berger das Stück lokalen Gegebenheiten angepasst – obwohl Wiens zweites Opernhaus nie ein Showpalast war.
1971, im Jahr der Uraufführung, galt „Follies“ als Abgesang auf den alten Broadway. Damals riss man die historischen Theater zugunsten von Parkhäusern ab. Ernüchtert tastet der Komponist und Texter Sondheim den verlorenen Illusionen der auftretenden, einst populären Show-Tänzerinnen hinterher, ihren kaputten Beziehungen, uneingelösten Träumen – mit allerdings fabelhaften Revuenummern, in denen sie noch einmal jung werden, mit ihren Alter Egos tanzen und dabei doch auch das brüchige Gerüst dieser Phantasmagorien entlarven: ein genial doppelbödiges Werk von hintergründigem Charme. In Wien wird es ohne falsche Gefühlsduselei auf die oft leere Bühne gebracht: Glamour verbreiten einzig flexibel rotierende Lichtbögen.
Ein solches Projekt steht und fällt mit der Besetzung. Und diese ist hinreißend stimmig, mit Ruth Brauer-Kvam als ihren verpassten Chancen, vor allem ihrer Liebe Ben (Drew Sarich) hinterhertrauernde Sally. Sie merkt nicht, wie sehr sie ihren sie anbetenden Gemahl Buddy (Peter Lesiak) zurückstößt. Ben befeuert dagegen seine Beziehung zur zynischen Phyllis (Bettina Mönch). Eine bittersüße Story über die Macht der Illusion und die Kraft des Theaters, zu sehen zunächst bis 27. Mai. (Eine Wiederaufnahme ist geplant.)