Oscar aus der Asche: Was man zur kommenden Academy-Awards-Show wissen muss
In Beverly Hills, Los Angeles, wo die altehrwürdige Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) residiert, herrscht dieser Tage ein gewisser Ausnahmezustand. Denn die nordamerikanische Filmindustrie ist schwer angeschlagen. Über Wochen wüteten die Waldbrände in Südkalifornien – fast den gesamten Jänner über. Auch die Wohngebiete in den Hollywood Hills wurden massiv in Mitleidenschaft gezogen, zahllose Häuser brannten ab, darunter die Domizile von Entertainment-Stars wie Ben Affleck, Paris Hilton, John Goodman und Miles Teller. Und tragische Kollateralschäden traten auf: Der lungenkranke Regisseur David Lynch etwa überlebte die Evakuierung aus seinem nahe dem Mulholland Drive gelegenen Haus nicht.
Fast 10.000 internationale Filmprofessionelle sind in der Academy, gegründet im Mai 1927, wahlberechtigt tätig. Die seit damals jährlich vergebenen Academy Awards, liebevoll „die Oscars“ genannt, gelten als der bedeutendste Filmpreis der Welt. Die Stimmabgaben und Bekanntgabe der diesjährigen Oscar-Nominierungen mussten, ebenso wie Dreharbeiten und große Filmpremieren, wegen der desaströsen Feuer verschoben werden. Sogar eine Absage der für den 2. März geplanten Oscar-Zeremonie stand schon im Raum. So weit kam es dann aber doch nicht; Hollywood war immer schon gut darin, Rückschläge wegzustecken, Härte gegen sich selbst zu beweisen und sich neu zu mobilisieren. Ob der diesjährige Moderator der Gala, die ehemalige Late-Night-Talk-Legende Conan O’Brien, aber Witze über die Brandkatastrophe wagen wird, steht zu bezweifeln; der für die ironisch-respektlose Behandlung von Ehrengästen stehende Begriff „roast“ hätte hier eine möglicherweise allzu geschmacklose Konnotation.
Make Hollywood great again?
Die Waldbrände sind aber beileibe nicht das einzige Problem, an dem die Oscars heuer zu laborieren haben. Die traditionell demokratisch geprägte, liberale US-Filmszene wird sich überlegen müssen, wie sie in jenem Rahmen, vor einem weltweiten Millionenpublikum, auf die vor nicht einmal sechs Wochen angetretene Trump-Administration reagieren will, die mit Sicherheit keine gute Nachricht für die Kunst- und Redefreiheit sein wird. Denn die Frage, ob der Präsident sich auch in Filmdingen wichtigmachen möchte, stellt sich nicht mehr. Drei reaktionäre tough guys, nämlich Sylvester Stallone, 78, Mel Gibson, 69, und Jon Voight, 86, sollen ihm, so erklärte Donald Trump vor ein paar Wochen, als „Sonderbotschafter“ dabei behilflich sein, Hollywood „wieder größer, besser und stärker zu machen, als es jemals zuvor war“.
Eine subtile Methode, sich über Trumps Vorstellungen von einem „starken“ Hollywood (und über sein allzu schlichtes Geschlechterverständnis) hinwegzusetzen, hätte darin bestehen können, die spanische Schauspielerin Karla Sofía Gascón, 52, für ihre Performance in dem eigenwilligen, gleich 13-fach nominierten Musical „Emilia Pérez“ als beste Hauptdarstellerin auszuzeichnen. Sie war in dieser Kategorie auch als Favoritin ins Rennen gegangen, und sie wäre die erste Frau mit Transidentität gewesen, die einen Oscar gewonnen hätte. Ende Jänner aber wurde eine Reihe islamophober und rassistischer Postings, die Gascón zwischen 2019 und 2021 auf Twitter abgesetzt hatte, bekannt. Obwohl die Schauspielerin sich für die Tweets umgehend entschuldigte und ihren Account löschte, stellte Netflix unmittelbar danach alle sie betreffenden Promotion-Aktivitäten ein und cancelte Gascón auf breiter Front. Sogar ihr Regisseur, der Franzose Jacques Audiard, distanzierte sich – offenbar, um die Oscar-Chancen seines Films wenigstens in den anderen Kategorien intakt zu halten – rückhaltlos von seiner Hauptdarstellerin, über die er noch in den Wochen davor stets nur das Beste zu sagen hatte. Immerhin wurde Gascón nun erlaubt, an der Gala teilzunehmen.