Paul McCartney in Wien: Der Meister von nebenan
Paul McCartney hat am Mittwoch ein erstes von zwei Wien-Gastspielen 2018 gegeben. "Freshen Up" heißt seine aktuelle Tournee - ein treffender Slogan, denn verklärt nostalgisch wirkte der Streifzug durch die Karriere des Briten, und damit durch ein wichtiges Stück Popgeschichte, nie. Der 76-Jährige und seine Band klangen modern, aktuell, relevant - es war superb.
Die Standing Ovations, die der frühere Beatle noch vor dem ersten Ton und bis zum finalen "The End" in der mit 11.000 Besuchern ausverkauften (bestuhlten) Stadthalle erntete, waren nicht nur der Legendenverehrung geschuldet. 38 (!) Songs brachte der scheinbar ewig junge Sir Paul vor seinen begeisterten Fans, darunter Bundespräsident Alexander Van der Bellen, im wahren Sinn des Wortes zum Besten. In der Performance gab es keinen Ausfall, keinen Durchhänger, keinen Song - egal ob ganz alt oder ganz neu -, der nur ansatzweise unangenehm auffiel.
Mit "A Hard Day's Night" startete das geschickt zusammengestellte Programm, in dessen erster Hälfte McCartney Beatles- und Wings-Songs einstreute, aber auch einiges Material aus seinem Soloschaffen präsentierte. Von seinem aktuellen, sehr guten Album "Egypt Station" gab es an diesem Abend drei, aus dem Vorgänger "New" (2013) zwei Tracks zu hören - fünf (relativ) neue Stücke im Set eines Stars, der auch allein mit seiner Vergangenheit Stadien füllen kann, das ist beachtlich.
Die Bandbreite an Arrangements reichte von druckvoll rockig bis feinfühlig akustisch. "Let Me Roll It" ließen die Musiker in einen "Foxy Lady"-Jam übergehen. "Macca" würdigte anschließend Jimi Hendrix und erzählte eine Anekdote, wie sich der Gitarrengott von einem anderen, nämlich Eric Clapton, sein Instrument stimmen lassen wollte. Er könne ja die ganze Nacht solche Geschichten bringen, sagte McCartney. Man hört ihm ja auch gerne zu! Immer wieder plauderte der Liverpooler in Deutsch, oder wie er richtig anmerkte: "in Austrian, not in German". Schon klasse, wie ein solcher Superstar nicht distanziert, sondern wie der gute Freund von nebenan wirkt.
Zwischendurch wechselte McCartney vom Bass ans Klavier und lieferte bei "Maybe I'm Amazed" eine gesangliche Meisterleistung (es sollte nicht die einzige sein). "I've Just Seen A Face" machte den Anfang eines perfekt arrangierten Akustikteils, bei "Dance Tonight" packte McCartney die Mandoline aus. "Love Me Do" widmete er dem Beatles-Produzenten George Martin, mit "Here Today" wurde John Lennon gedacht. Das schönste Tribut, an George Harrison, sollte aber "Something" werden: Nach einem intimen Ukulele-Start ließ McCartney das Stück in ein volles Band-Arrangement übergehen.
Der Schlussteil erinnerte an ein Pop-All-Time-Best-Of: "Ob-La-Di, "Ob-La-Da" (mit der ganzen Halle als Chor), "Band On The Run", "Hey Jude", "Let It Be" und, und, und. Bei "Live And Let Die" feuerte McCartney ein In-Door-Feuerwerk samt Feuersäulen ab und riss die letzten sitzenden Fans von den Sesseln, um dann im Zugabenteil mit "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" und "Helter Skelter" noch einmal eindrucksvoll zu demonstrieren, wie viel Kraft im nie toten Rock and Roll liegt. Über zwei Phänomene konnte man am Heimweg diskutieren: Wie vital McCartney mit 76 ist und wie zeitlos sämtliche Songs sind, als wären sie erst gestern komponiert worden.
Die Fans - angereist von Floridsdorf bis Japan - hatten sich schon beim ersten Takt zum "Platzsturm" hinreißen lassen. Der Jubel kannte keine Grenzen. Für ein amerikanisch-kanadisches Pärchen wurde es sogar ein Abend fürs Leben: Der Mann machte auf der Bühne, angefeuert von McCartney und beklatscht von Tausenden, seiner Freundin einen Heiratsantrag (sie sagte "Ja"). Heute folgt als Zugabe das zweiten Wien-Konzert, gestern gingen dafür einige wenige Restkarten in den Verkauf.