Interview

„In Garderoben wird oft geweint“

Paula Nocker, 27, und Martin Schwab, 86, werden demnächst gemeinsam in Tschechows „Möwe“ in Wien auf der Bühne stehen. Ein transgenerationales Gespräch über Machtmissbrauch, monomanische Regisseure und die Intimität von Proben.

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In der Kulturszene gibt es zurzeit, nach der NDR-Dokumentation "Gegen das Schweigen" und Paulus Mankers ORF-Auftritt, nur ein Thema: den Machtmissbrauch seitens jener Menschen, die bestimmen, wer auf einer Bühne oder vor einer Kamera stehen soll. Herr Schwab, Sie haben mit egomanischen „Theaterberserkern”, wie Thomas Bernhard das in "Holzfällen" nannte, gearbeitet, unter anderen mit Claus Peymann, Peter Zadek oder Andrea Breth. Wie traumatisiert sind Sie?
Schwab
Ach, von den Alten kenne ich tatsächlich alle. Aber ich habe in meinen 62 Jahren Theatererfahrung nahezu nie jemanden erlebt, der oder die sich so verhalten hatte, dass man eingreifen hätte müssen. Ein, zwei Mal bin ich dazwischengegangen oder musste Kollegen in der Garderobe trösten.
Wird am Theater viel geweint?
Nocker
Natürlich. In Garderoben wird oft geweint. Oder auch später zu Hause.
Was bringt Sie zum Weinen?
Nocker
Vor allem ich mich selbst. Ich bin sehr selbstkritisch, aber auch ein ängstlicher Mensch. Und ich kann mich sehr über mich ärgern. Wenn ich etwas verhaut habe oder nicht gut genug war.
Haben Sie sich beide schon einmal entschieden dagegen gewehrt, mit bestimmten Regisseur:innen zu arbeiten?
Schwab
Auf diese Frage habe ich gewartet, aber nein. Manchmal ist es allerdings so, dass man sich etwas ganz Tolles vorstellt mit einem oder einer, das dann am Ende gar nicht so toll wird. Aber natürlich auch umgekehrt.
Nocker
In der Arbeit ist es wie in Freundschaften: Mit manchen Menschen verbringt man gerne mehr Zeit, mit anderen weniger. 
Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort