Politik und Tier

Von Menschen und Miezekatzen

Karin Kneissl war Österreichs Außenministerin und tanzte auf ihrer Hochzeit mit Wladimir Putin. Der russische Präsident ernannte sie nun zur Botschafterin einer bedrohten Tigerart.

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Jetzt also der Amurtiger. Schnurrte und schlich die Großkatze bislang eher unbehelligt durch die Weiten Ostrusslands und Chinas, dürfte es inzwischen mit der Ruhe für geraume Zeit vorbei sein. Der russische Präsident Wladimir Putin hat Karin Kneissl, von 2017 bis 2019 Österreichs oberste Diplomatin, zur Botschafterin für den Schutz des bedrohten Amurtigers ernannt, wie die russische Nachrichtenagentur RIA jüngst meldete. Der Amurtiger steht auf der Roten Liste bedrohter Tierarten; es sollen noch 800 Exemplare in freier Wildbahn leben.

Ein weiterer kurioser Karriereschritt Kneissls, die als parteilose Analystin und Autorin von der rechtspopulistischen FPÖ einst zur Außenministerin nominiert worden war. Seit vergangenem Jahr lebt sie in Sankt Petersburg und leitet das GORKI-Center, was für „Geopolitisches Observatorium für Russlands Schlüsselfragen“ steht. Zuvor war Kneissl, Jahrgang 1965, Gastautorin beim russischen Staatssender RT und Aufsichtsrätin des Mineralölkonzerns Rosneft. Vor sechs Jahren beehrte Putin Kneissls Hochzeit im südsteiermärkischen Gamlitz als Ehrengast. Das Tänzchen. Der Knicks. Das rotwangige Hochblicken zum Kremlchef. Die Bilder davon gingen um die Welt.

Wie so vieles beim russischen Machthaber wirkt auch Kneissls Ernennung zur Tigerbeauftragten unter mehreren Schichten von Propaganda, Agitation und Okkupation fremder Territorien begraben. Der Amurtiger aka Sibirischer Tiger, Panthera tigris altaica, die größte Raubkatze auf Erden, scheint wie gemacht für Putins durchschaubare politische Zwecke: bis zu 325 Kilogramm schwer, Kopf-Rumpf-Länge an die drei Meter, Schulterhöhe über einen Meter, detto die Länge des Schwanzes, Männchen größer als Weibchen. Ein Bild von einem Tier, viel Exzellenz, große Kraft. Gewissermaßen versinnbildlichte Putin-Power. Es gehören im großen Politik-Bestiarium immer zwei dazu: einer, der blenden will, und ein Getier, das sich ohne Aussicht auf Gegenwehr blenden lassen muss. Tier und wir, das ist immer auch eine Orgie der Selbstinszenierung.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.