"Bobs quengelige Stimme ging ihr immer auf die Nerven: Das war nie meine Musik" Marlene MacDonald-Czernin im Jahr 2003

Putzen bei Bob Dylan

Haushälterin bei der Folk-Legende in Woodstock

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Die Blätter in Woodstock spielten in allen Farben, als sich die Wienerin Marlene mit ihrem damaligen Mann Jack Little im September 1965 aus einem silbergrauen Rolls-Royce schälte. Der Wagen gehörte dem Musikmanager Albert Grossman, einem Mann, der mit dem Folktrio Peter, Paul & Mary ein Vermögen gemacht hatte. Grossman wollte das in schwere Finanznöte geratene Ehepaar Little einem seiner anderen Musiker-Klienten vorstellen, der für sein neues Anwesen im Hinterland des legendären Künstlerdorfs Woodstock im Bundesstaat New York Hauspersonal benötigte. „Hi", sagte ein wirrlockiger, schüchtern wirkender Mann in Jeans und Cowboystiefeln, nachdem er aus einem blauen Kombi gestiegen war, und schüttelte den Littles die Hand, „I'm Bob Dylan."

Die damals 36-jährige Marlene, die nach dem Scheitern ihrer Ehe mit dem Wiener Architekten Peter Czernin unter Zurücklassung ihrer vier Söhne mit nichts als einer Hand voll Dollar in der Tasche 1963 nach Amerika gefahren war, hatte zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, wen sie vor sich hatte. Als sie das Haus in Woodstock erstmals betrat, stand sie unter Schock. Der 24jährige Dylan, dessen Ikonenstatus sich damals nach dem Erscheinen der Alben „The Freewheelin' Bob Dylan”und „The Times They Are A-Changin'" gerade erst abzuzeichnen begann, liebte Tiere so sehr, dass er sie ohne jegliche Grenzen in seinen Lebensbereich integrierte. Durch das weitläufige Haus hoppelten Mr. and Mrs. Booth, ein Hasenpärchen, benannt nach dem Lincoln-Attentäter. Zwei Hunde, einer davon ein Riesenschnauzer namens "Hamlet", und die Katzen "Rolling Stone" und "Saint Vicious" nahmen es mit ihrer Stubenreinheit nicht so genau. Dementsprechend müffelte es in den Räumen.

"Bobs quengelige Stimme ging ihr immer auf die Nerven: Das war nie meine Musik". His Bobness düfte es verkraften.

Dass Marlene und ihr Mann Jack dennoch blieben, hing mit dem Gemüt der beiden Arbeitgeber zusammen: „ Sowohl Dylan als auch dessen Lebensgefährtin Sara, die gerade ihr erstes von insgesamt vier Kindern mit Dylan erwartete, waren äußerst sanftmütige Menschen. Auch Maria, Saras Tochter aus erster Ehe, war äußerst unkompliziert.”

Dylan hat hauptsächlich Thunfisch zu sich genommen.

„Uns wurde nichts angeschafft", so Marlene MacDonald-Czernin, die zuvor für Jackie Kennedys Lieblingsdesigner Oleg Cassini Abendkleider zugeschnitten hatte, „wir hatten völlig freie Hand.” Marlenes zweiter Mann Jack, ein Gentleman aus renommierter Verlegerfamilie, dessen Flucht aus seiner ersten Ehe ihn sein Erbe gekostet hatte, zimmerte für die Dylans einen Hasenkobel und eine Hundehütte. Marlene, die elegante Blondine mit dem Model-Aussehen, wusch händisch die gesamte Wäsche des Haushalts, weil sich „irgendwie keiner wirklich darum kümmerte die vorhandene Waschmaschine anzuschließen.” Als „äußerst interessant” empfand sie Bobs Hemdengeschmack:„Er trug viel wild Gemustertes mit weiten Ärmeln."

Gemeinsam mit ihrem Mann malte sie die Räume aus, und Marlene musste aus schier endlosen Juteballen, Dylans Lieblingsmaterial, Vorhänge nähen. Der „Abenteuercharakter des Jobs” half ihr auch über die Tatsache hinweg, dass Dylan stets beim Ausziehen alle Kleidungsstücke einfach auf den Boden segeln ließ und gerne den Inhalt seiner Schränke verwüstete. Um das Essen des Meisters musste sie sich nicht kümmern. Das war Saras Job: „Er hat hauptsächlich Thunfisch zu sich genommen."

Dylans bisweilen nahezu soziophobisches Verhalten kränkte Marlene manchmal. Als sie sich einmal an den Küchentisch setzte, um einen Knopf anzunähen, während er gerade eine Mahlzeit verzehrte, stand er ohne Kommentar auf und verzog sich. „Nehmen Sie's bitte nicht persönlich", tröstete sie Sara, „aber er verträgt es nicht, wenn Leute ihm zu nahe kommen."

Hätte sie einige der Dinge, die sie im Abfall fand, aufgehoben und verkauft, könnte sie damit heute vermutlich ein kleines Vermögen machen: Handgeschriebene Entwürfe für den damals entstehenden Roman "Tarantula", ein T-Shirt mit der Aufschrift "Triumph", ein an Joan Baez adressiertes, aber nie abgeschicktes Paket, voll mit Tonbändern gemeinsamer Aufnahmen. Offensichtlich hatte Dylan, aus Wut oder Kränkung, die Relikte der verflossenen Romanze dann doch aus dem Verkehr ziehen wollen.

Bobs quengelige Stimme ging ihr immer auf die Nerven: Das war nie meine Musik.

Marlene, die Tochter aus großbürgerlichem Mödlinger Haus, entwickelte im Dylan-Anwesen Putz-Enthusiasmus. Eines Nachmittags verbrachte sie Stunden mit dem Schrubben und Polieren des dunklen Holzbodens in der Halle. Am nächsten Morgen flüsterte ihr Mann nur: „Geh bitte nicht hinunter!"

Dylan hatte nicht zulassen wollen, dass die Hunde in der Eiseskälte außerhalb des Hauses schlafen mussten. Die Notdurft der Hunde und die Federn aus zerfetzten Polstern waren über den ganzen Boden verteilt. Während Jack das Desaster reinigte, trat Marlene nach nur sieben Wochen vor ihren Boss und flüsterte: „Wir werden gehen." Dylan antwortete nur: „Ihr zwei habt so was noch nie zuvor gemacht, stimmt's?" Sie nickte. Und dann sagte er: „Dafür habt ihr aber einen wundervollen Job erledigt."

„Bobs quengelige Stimme" ging ihr immer auf die Nerven: „Das war nie meine Musik.” Aber er hatte sehr liebenswerte Züge: „Er war ein so sanfter, scheuer und gütiger Mensch." Haustiere sollte sie nach ihrem Woodstock-Trauma jedoch nie mehr besitzen.

P.S: Beim vorletzten Wien-Konzert besuchte Marlene MacDonald-Czernin gemeinsam mit profil-Redakteurin Angelika Hager die Stadthalle. Über das Management hatten wir versucht, ein kurzes Treffen mit dem Meister zu arrangieren. Ein Mann aus dem Hofstaat Dylans kam persönlich an Marlenes Platz, erklärte „Bob sends his greetings”, drückte aber gleichzeitig sein Bedauern aus, dass der Meister sie leider nicht empfangen könne. Aber, wie wir später erfahren sollten, hatte Dylan die Anweisung erteilt, den Scheinwerfer einmal auf Marlene richten, damit er wusste, von wo sie ihm zusah. Bei jenen Konzert erwies sich Dylan übrigens als besonders soziophob. Er spielte das letzte Drittel einfach mit dem Rücken zum Publikum. Der trockene Kommentar der Wienerin: „Warum wundert mich das nicht...”

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort