Rapper Cro live in Wien: Jeder Song muss Bombe sein
Interview: Philip Dulle
profil: Zum Arbeitsalltag eines Popstars gehört das alte Laufrad von Musikaufnahme, Promotion, Interviews und Tournee: Wollten Sie sich davon nicht befreien?
Cro: In einer normalen Woche arbeite ich an mindestens sechs Tagen. Mit ein wenig Glück bleibt mir der Sonntag. Aber zuviel von einer Sache wird schnell zuviel. Manchmal will ich gar nicht mehr reden schon gar nicht über mich selbst.
profil: Soll die Pandamaske, die Sie bei Ihren Auftritten tragen, dabei helfen, Sie als Privatperson zu schützen?
Cro: Bei dem Rapper mit der Pandamaske handelt es sich um eine Kunstfigur, mehr nicht. Außerdem bietet mir die Verkleidung Anonymität, die mir im Alltag sehr wichtig ist. Aber das Ganze ist auch ein Selbstläufer. Bald wird es sogar eine eigene Cro-Actionfigur geben!
profil: Ihre Musik kommt dabei nicht zu kurz?
Cro: Für das neue Album, das teilweise im arschkalten, winterlichen Venedig entstand, hatte ich mir ein halbes Jahr Zeit genommen. Keine Termine, keine Verpflichtungen.
profil: Ihr erstes Album hielt sich 72 Wochen lang in den deutschen Charts. Erhöhte das nicht den Druck auf das zweite?
Cro: Wenn ich all meine Mixtapes mitzähle, die ich kostenlos über das Internet verbreite, ist Melodie ohnehin bereits mein fünftes Album. Ich wusste: Eine Büste meiner Panda-Maske musste unbedingt auf das Cover. Dann ging es Schlag auf Schlag. Die ersten Beats, ein erster Kick und immer wieder die Frage: Ist es geil genug für das Album? Wenn nicht, weg damit und her mit der nächsten Idee. Man denkt schon so: Jeder Klang und jeder Ton, der auf das Album kommt, muss einfach Bombe sein. Aber natürlich darf auch das Spontane in der Musik nicht verloren gehen. Kleine Fehler machen einen Song ja erst reizvoll. Wenn dann noch der Hund in die Aufnahme bellt, ist der Song perfekt.
profil: Ihr neues Album klingt nachdenklicher und reflexiver. Haben Sie genug vom Sommer- und Gute-Laune-Pop Ihres Erfolgalbums Raop?
Cro: Bei Raop wollte ich es knallen lassen, um Aufmerksamkeit gleich mal auf mich zu lenken. War wohl recht erfolgreich. Das neue Album ist dagegen recht entspannt. Vielleicht wird das nächste Projekt ganz ohne Drums auskommen, nur aus Synthie-Flächen bestehen so richtig zum Einschlafen.
profil: Ihre neuen Texte erscheinen reifer.
Cro: Vor dem ersten offiziellen Album gab es noch nicht viel zu reflektieren. Dann kam der große Knall und zwei Jahre im Musikgeschäft, die sich anfühlen, als wären es zehn gewesen. Ich hätte es noch dunkler klingen lassen können, aber ein trauriges Album wollte ich dann auch nicht veröffentlichen.
profil: Ihnen ist klar, dass Sie sehr viel Glück hatten?
Cro: Ich frage mich oft, warum es mit der Musik gerade bei mir funktioniert hat. Es war gar nicht mein Ziel. Ich wollte nie der größte, beste und krasseste Rapper werden. Musik war immer nur ein Hobby, ich arbeitete als Mediendesigner. Ich habe Plakate gemacht, Fotos, Videos geschnitten. Das hat sich jetzt gedreht: Design ist mein Hobby und die Musik mein Beruf. Das klingt jetzt vielleicht komisch: Aber ich bin aktuell der größte Rapper in Deutschland.
profil: Nebenbei betreiben Sie ein Modelabel, designen Schuhe und malen Standbeine für die Zeit nach der Karriere?
Cro: Ich bin stolz auf mein Modelabel Viovio. Mein Bruder ist Geschäftsführer, meine Schwester und ein paar Kumpels arbeiten auch mit. Zum Ausgleich male ich ein wenig und fotografiere mit einer analogen Kamera. Ich habe ganze Schuhkisten voller Fotos, chronologisch geordnet und fein säuberlich dokumentiert.
profil: Haben Sie Ihren Erfolg bereits verarbeitet?
Cro: Oft bin ich noch immer erstaunt, wenn ich so angekündigt werde: Doppelplatin, 2,5 Millionen verkaufter Einheiten, sechs Mal für den Echo nominiert, Bambi gewonnen, bla bla bla ... Da bekomme ich manchmal eine Überdosis Realität in die Fresse.
profil: Mit Ihrem selbstproduzierten YouTube-Hit Easy haben Sie den Sommerhit 2012 gelandet. Wie schreibt man einen Schlager dieser Art?
Cro: Ganz einfach. Wenn in den USA etwas funktioniert, versuchen es auch die Europäer. Vor drei Jahren hab ich alle guten Musikblogs durchforstet, habe den Sommer-Gute-Laune-Dreh perfektioniert und kam dann gleichzeitig wie der US-Rapper Mac Miller auf diesen hedonistischen Ansatz.
profil: Klingt kalkuliert.
Cro: Gar nicht. Ich habe mich einfach so entwickelt. Nachdem Easy ein Sample des Sixties-Hits Sunny von Bobby Hebb verwendet, haben wir keinen Cent daran verdient. Manche Dinge sind eben mehr wert als Geld.
profil: Ihren Durchbruch schafften Sie über die Videoplattform YouTube, bei Facebook haben Sie über zwei Millionen Fans. Dennoch prangern Sie in Ihrem Song Rennen die sozialen Netzwerke, die grassierende Selbstdarstellung an wie passt das zusammen?
Cro: Ein Gutteil der Internet-affinen Welt will sich zeigen. Ich finde es irre, wenn sich 13-jährige Mädchen auf Instagram in Unterwäsche zeigen und die halbe Welt dabei zusieht.
profil: Sie haben bereits als Sechsjähriger Klavier gespielt, später auch noch Gitarre von Ihrem Bruder gelernt. Braucht man ein Fundament an klassischer Musik, um im HipHop erfolgreich zu sein?
Cro: Für mich ist es extrem wichtig. Vor allem, wenn ich an neuen Beats arbeite, bin ich auf das Klavierspiel angewiesen. Ich sehe ja auch, wie sich andere Musiker abmühen, weil Sie die Grundkenntnisse der Musik nicht beherrschen. Das Schöne am Klavier ist zudem, dass ich mit einem Synthesizer so gut wie jedes Instrument imitieren kann.
profil: Ihre Musik findet im Spannungsfeld zwischen klassischem Rap und radiotauglichem Pop statt. Für Ihr Debüt haben Sie das Kunstwort Raop erschaffen. Haben Sie da Vorbilder?
Cro: Nein. Ich höre einfach alles, von den Beatles und Bob Dylan bis Rap, Pop und Indie. So arbeite ich auch: Ich nehme mir von Warren G den Gesang, von Kid Cudi die Beats und das Schlagzeug von Phoenix.
profil: Ihr entspannt-freundlicher Rap hat für eine Zäsur im deutschen HipHop gesorgt.
Cro: Ich habe einfach den Zeitgeist getroffen. Sido und das ganze böse Zeug von Aggro Berlin habe ich damals, Anfang der Nullerjahre, noch nicht verstanden. Aber auch der böse Gangsterrap kann gut sein. Man darf ihn nur nicht zu ernst nehmen. Viele dieser wilden Geschichten sind großartig erzählt, wie gute Fernsehserien und sind dabei als reines Entertainment zu verstehen. Andererseits sind manche Rapper auch einfach nur dumm.
profil: Sie leben und arbeiten in Stuttgart. Wäre es in Berlin nicht einfacher für Sie?
Cro: Ich finde Berlin ein wenig ekelhaft. Es ist ja alles so cool dort und überhaupt hat jeder dort mit Musik und Medien zu tun. Würde ich in Berlin wohnen, so wäre meine Musik wohl noch eine Spur frischer. Aber ein Leben dort würde mich echt kaputt machen.
profil: Sie veröffentlichen Ihre Alben heute bei einem Stuttgarter Musiklabel. Bekommen Sie noch Angebote von großen Plattenfirmen?
Cro: Die haben mittlerweile aufgegeben. Am Anfang wurden mir nur kleine Summen geboten. Nach dem Erfolg von Easy haben wir den Preis nach oben getrieben, dann aber schnell genug erkannt, dass wir das auch alles selber machen können. Ein großes Musiklabel hätte uns wahrscheinlich nach einem Jahr wieder fallen gelassen. Wir haben also unser Geld investiert, haben an den Plakatdesigns gearbeitet, Konzerte vorfinanziert. Ich und meine Crew haben viel Geld auf diese eine Karte namens Cro gesetzt. Heute braucht man eben nur noch einen Laptop und Menschen, die Lust aufs Arbeiten haben. Scheiß auf die Major-Labels.
Zur Person:
Cro, 24,
ist einer der erfolgreichsten deutschen Rapper und Popstars der Gegenwart. Von seinen Singles (unter anderem Du, Whatever und Traum) und dem 2012 beim Stuttgarter Independent-Label Chimperator veröffentlichten Debütalbum Raop verkaufte er insgesamt mehr als 2,5 Millionen Einheiten. Sein selbst veröffentlicher Hit Easy wurde bis dato über 39 Millionen Mal auf YouTube angeklickt. Cro, der die erste CD im Schlafzimmer-Studio seines Stuttgarter Elternhauses aufgenommen hat, lässt sich ausschließlich mit Pandamaske fotografieren. Soeben ist sein neues Album Melodie erschienen.