Rapperin Ebow und ihr neues Album „Canê“: Flexen für die Seele
Die Dosis macht das Gift. Das ist im Deutschrap nicht anders als im Durchschnittsleben. Denn natürlich sind aufgemotzte Autos, lauter Bass (sprich: Pumpen), protzige Markenklamotten und das Spiel mit den Muskeln (Flexen) irgendwie peinlich, dienen im Hip-Hop – richtig dosiert – aber immer noch als Distinktionsgewinn. Die deutsch-kurdische Rapperin Ebow, 32 Jahre alt und in München geboren, erklärt es in ihrer aktuellen Single „Prada Bag“ so: Wenn du in einer Gesellschaft aufwächst, die dich als Mensch zweiter Klasse sieht, dann ist die einzige Möglichkeit, ihnen zu imponieren, diese: „Ich gönne mir das, was keiner mir in diesem Land je gönnen würde / Meine Prada-Bag, meine Louis-Bag, meine Fendi-Bag, meine Hermès-Bag, meine Gucci-Bag“.
Ihr neues Album nennt Ebow „Canê“ (Kurdisch für „Liebling“ und „Seele“), und so klingen die zehn Songs auch; es sind Ermächtigungshymnen gegen die Entfremdung im eigenen Land. Ebow macht mit Begriffen wie „Kanak“ das, was ihre Rap-Kollegin Shirin David mit „Hoe“ macht: umdeuten und reclaimen – also zurückholen. „Kanak“ ist keine Beleidigung mehr, sondern eine selbstbestimmt gesetzte Neudefinition. So geht der Kampf gegen Rassismus und Sexismus im woken Pop-Zirkus, zwischen kühlem Trap und softerem R&B changierend, mal hochpolitisch, dann wieder selbstreflexiv.
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