Rapid Trainer Dietmar Kühbauer
Liga Zirkus

Reform der Bundesliga: Warum der neue Modus nicht alle Probleme löst

Das größte Problem der Liga lässt sich nicht von Show-Elementen beheben.

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Die Erfinder der „neuen Bundesliga“ werden sich die Hände reiben. So spannend war der müde Betrieb lange nicht mehr. Eigentlich wäre es aktuell langweilig wie immer: Ligakrösus RB Salzburg rangiert neun Punkte vor dem Zweiten; und der Zweite LASK fünfzehn Zähler vor dem Dritten. Die Verantwortlichen der Bundesliga hatten das geahnt – und vorgesorgt.

Ein neuer Ligamodus sorgt seit dieser Spielzeit dafür, dass trotz der klaren Machtverhältnisse alles eng zusammenrückt. Seit Wochen kämpfen, rennen und zittern die Spieler auf Gedeih und Verderb. Der neue Modus trieb zwölf Vereine 22 Runden lang hektisch in Richtung Ziellinie – bis zum letzten Sonntag, dem Tag der Entscheidung. Da wurde die Liga in zwei Ligen geteilt. In die Liga der Schwachen und die Liga der Starken. Die Verantwortlichen bezeichnen die beinharte Selektion würdevoller als Meister- und Qualifikationsgruppe.

Das neue Modell erinnert an Unterhaltungsshows aus dem Privatfernsehen. Beim Unterschichten-Format „Big Brother“ zogen einst erfolgreiche Kandidaten in ein Luxus-Appartement, Verlierer kamen in ein Verlies. Und nun ist auch die einst biedere heimische Bundesliga unterhaltsam. Acht Vereine wechselten zuletzt ihre Trainer aus. Die neue Spannung erzeugte ein hektisches Treiben bei den Klubs, das zum Voyeurismus einlud. Die Liga will ihr Produkt möglichst gut verkaufen. Und sie weiß: Die Fernsehanstalten wollen gute Geschichten erzählen.

Origineller, aber ungerechter Modus

Die Bundesliga-Kreativwerkstatt scheint einen öden Schinken zum Kassenschlager belebt zu haben – jedenfalls für zwei, drei Runden. Wochenlang priesen Fernsehstationen die entscheidenden Spieltage an. Das Spiel Rapid gegen Hartberg wurde von 20.000 Zuschauern besucht, zu Sturm Graz gegen Austria Wien kamen 15.000 Menschen. Der neue Modus ist originell: Denn neben der Spaltung der Liga werden die bereits erspielten Punkte der Klubs halbiert. Das birgt manche Ungerechtigkeit: RB Salzburg, das 55 Zähler ergatterte, hat jetzt bloß noch 27. Dazu kommt: Bei einer ungeraden Punkteanzahl wird abgerundet. Sollten am Ende zwei Punktegleiche um einen Tabellenplatz rittern, wird jener bevorzugt, der beim Abrunden benachteiligt wurde.

Die Liga wird dadurch spannender und ungerechter zugleich. Ein Beispiel: RB Salzburg hatte bislang neun Zähler Vorsprung auf den Zweiten LASK. Jetzt – nach der Teilung und Punktehalbierung – sind es bloß noch vier. Punkte, die über zwei Drittel der Meisterschaft mühevoll gesammelt wurden, sind mit einem Schlag die Hälfte wert. 
Ein zusätzliches Spannungselement: Für die Vereine in der Verlierer-Liga ist nicht alles verloren. Deren „Meister“ darf gegen den Vierten oder Fünften der Gewinner-Liga um einen Europacup-Platz spielen – und kann damit mehr erreichen als einige Mannschaften mit besserem Punkteschnitt. Auch das ist ungerecht, aber unterhaltsam.

Womöglich ist die Freude über die Wiederbelebung der Spannung bloß ein Trugschluss. Denn die Brisanz ist nicht nur dem kreativen Ligamodus geschuldet, sondern vor allem Rekordmeister Rapid Wien. Seit Monaten versuchte der Traditionsverein verzweifelt über den rettenden Strich (und damit in die Gewinner-Liga) zu gelangen – zum Gaudium der Zuschauer (mit Ausnahme der Rapid-Anhänger). In der letzten Runde hätte gar Stadtrivale Austria Wien seinen Erzfeind mit einem Sieg retten können. Der neue Modus erzeugt Konstellationen, die nicht nur spannend sind – sondern auch witzig.

Die Liga wollte genau das erreichen: Mehr Spannung und mehr Ausgeglichenheit. Der Kampf um die Meisterschaft ist nach der Punkteteilung wieder offen. Nichts ist schlechter für die Vermarktung als ein uneinholbarer Tabellenführer. RB Salzburg, jene Mannschaft, die Jahr für Jahr enteilte, wurde somit unfreiwillig zum Feindbild der Liga-Vermarkter.

Dabei wird ein großes Problem übersehen, das die Liga schwer selbst beheben kann. Die heimische Meisterschaft war spannend, so lange RB Salzburg alte Stars kaufte und keine großen Visionen verfolgte. Seit dort neben viel Geld auch viel Hirn vorhanden ist, hat die oft tollpatschig agierende Konkurrenz keine Chance mehr. In den letzten fünf Spielzeiten wurde RB Salzburg meist überlegen Meister, während die Verfolger an sich selbst scheiterten.

Wahrscheinlich wird der neue Liga-Modus die großen Entscheidungen verzögern, schlussendlich aber nichts am Salzburger Durchmarsch ändern. Konkurrenz ist keine in Sicht. Die Wiener Vereine haben zwar immer mehr Geld, aber zugleich immer weniger sportlichen Erfolg. Austria Wien liegt trotz Punkteteilung zwölf Punkte hinter Salzburg. Beinahe jedes Jahr landet zumindest einer der beiden Wiener Großklubs im Tabellenkeller anstatt Salzburg die Stirn zu bieten. Jedes Jahr beginnen sie wieder von vorne – auch heuer tauschten Rapid und Austria Trainer und Spielweise. Die Bundesliga hat wenig Einfluss darauf, was Funktionäre in ihren Klubs treiben. Die Wettbewerbs-Verzerrung schien der einzige Ausweg.

Langfristig kann wohl nur ein nachhaltiges Erstarken der finanziell durchaus potenten Wiener Herausforderer neue Spannung entfachen. Alles andere ist eine von der Liga bemühte Verschleierungstaktik, der sich zuspitzenden Zweiklassengesellschaft – der kurioserweise nur der kleine LASK auf sportlichem Wege vehement entgegentritt.

Gerald Gossmann

Gerald Gossmann

Freier Journalist. Schreibt seit 2015 für profil kritisch und hintergründig über Fußball.