Interview

„Riefenstahl lebte eine Instagram-Existenz“: Andres Veiel über die NS-Propagandistin

Der Regisseur Andres Veiel und die Journalistin Sandra Maischberger haben sich Zugang zum Nachlass Leni Riefenstahls verschafft – und aus den dort gefundenen Materialien eine Psychostudie der NS-Dokumentaristin gefertigt.

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Die Faszination, die von der historischen Reizfigur Leni Riefenstahl (1902–2003) ausgeht, ist ungebrochen. Ihre Ästhetik hat sich durchgesetzt, könnte man sagen, denn Riefenstahls faschistoide Bildwelten speisen „Star Wars“-Episoden ebenso wie größenwahngetriebene Werbespots und Rammstein-Videos. Die Journalistin Sandra Maischberger, die ihr ausführliches TV-Interview mit der damals Hundertjährigen als Niederlage empfand, weil sie, wie die meisten, an Riefen-stahl gescheitert war, machte sich vor sechs Jahren an die Arbeit, den Nachlass der NS-Dokumentaristin zu durchkämmen. Dieser war 2018 per Schenkung an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gefallen; Maischberger hatte angeboten, die 700 Kisten mit persönlichen Schriften, Fotos, Filmen und Audiokassetten wissenschaftlich auswerten zu lassen – im Gegenzug durfte sie aus dem Material einen Dokumentarfilm machen.

Sie holte sich den deutschen Filmemacher Andres Veiel dazu, der nun seinen jüngsten, gerade in Österreichs Kinos gestarteten Dokumentarfilm, genannt schlicht „Riefenstahl“, vorlegt. Die Archivfunde, von gefilmten Wutanfällen der Regisseurin bei Dreharbeiten bis zu unveröffentlichten Briefen und Manuskripten, sind zahlreich. Veiel konfrontiert die Geschichtsvergessenheit seiner sich zeitlebens zur gänzlich Unschuldigen stilisierenden Protagonistin mit Tonnen von Bild- und Tonmaterial, psychologisiert (und exkulpiert) sie aber auch als benutzte, durch Gewalterfahrungen traumatisierte Frau.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.