Eine Arbeit aus Robert Franks legendärem Fotozyklus "The Americans"

Robert Frank: Retrospektiven und eine Doku

Der Fotograf und Filmemacher Robert Frank wird mit Retrospektiven in der Albertina und im Filmmuseum geehrt - und eine neue Doku rückt ihm auch persönlich nahe.

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Was genau lässt ein Foto gut erscheinen? Es muss scharf sein, sagt Robert Frank, und die Abgelichteten sollten freundlich lächeln. Nein, er meint das nicht ernst. Sein eigenes Werk bietet dazu die Antithese: Für soziales und politisches Elend interessiert sich Frank, früh geprägt von Walker Evans, außerordentlich, und technische Nachlässigkeiten sprechen für ihn keineswegs gegen die Qualität eines Bilds.

Der gebürtige Schweizer, der diese Woche 93 wird, ist längst selbst eine wiedererkennbare Größe, sein scharf-und eigensinniger Weltblick gehört inzwischen zu den Insignien der US-Nachkriegs-Avantgarde. In der Albertina sind derzeit ausgewählte Fotoarbeiten Franks (bis 21.1.) zu bewundern, im Österreichischen Filmmuseum zeigt man (zwischen 10. und 27.11.) das weit weniger bekannte, aber ebenso staunenswerte filmische Werk.

Mürrische Außenwirkung

Ein Widerborstiger ist er jedenfalls: Robert Frank hat sich einen Panzer aus wohldosierter Unfreundlichkeit zugelegt. Die mürrische Außenwirkung täuscht jedoch, wie seine Cutterin Laura Israel weiß, die unlängst eine Doku über ihren Mentor gedreht hat. "Robert Frank - Don't Blink" (ab 10.11. im Kino) ist dicht gewoben aus Filmausschnitten, Fotos, Kontaktabzügen, Objekten, Notizen und Briefen, aus Archivmaterial und neuen Szenen mit Frank und seinen alten Wegbegleitern. Israel hetzt im Tigersprung durch das knappe Jahrhundert, das Frank durchmessen hat: von seiner Kindheit in Zürich über die Gebrauchsfotografie, die er für "Harper's Bazaar" in den späten 1940er-Jahren herstellt, bis zur Karriere-Initialzündung - das Buch "The Americans" (1958) erregt mit 83 Bildern aus Nordamerikas Stadtlandschaften Unmut.

Statt es sich in einer Existenz als umstrittener Starfotograf gemütlich zu machen, wählt er die nächstgrößere Herausforderung: das Kino. Von seinem Regiedebüt "Pull My Daisy"(1959) aus, das zur Rahmenvereinbarung der Beat Generation wird, entwickelt er ein exzentrisches Kino, das von den Beatniks zu den Hippies führt, und von den Rolling Stones, für die er 1972 die verbotene Tour-Doku "Cocksucker Blues" dreht, zu intimen Vermessungen des eigenen Lebens. "I create chaos", sagt Frank, es gelte, sich niemals zu wiederholen. Ein Foto sei nur eine Erinnerung, die man in einer Schublade ablege, erklärt er, ein Film dagegen auch nach Jahrzehnten noch lebendig, er bewege sich und spreche, bringe das Einst ins Jetzt zurück. Man müsse nur neugierig sein, die Augen offen halten, nicht wackeln - und nicht blinzeln.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.