Sabine Breitwieser im Interview: "Meine Tür stand allen offen"
Knapp zwei Jahre nach ihrem Abgang als Geschäftsführerin des Museums der Modern (MdM) hat der Salzburger Landesrechnungshof vorvergangene Woche heftige Kritik an Sabine Breitwieser geübt. Eine Verlängerung ihres Vertrags sei „auf Grund mangelnder Mitarbeiterführung" nicht angestrebt worden. Sie habe ein miserables Betriebsklima etabliert, chaotisch gewirtschaftet, mangelnde Besucherzahlen gehabt. Dem LRH sei die Beendigung des Dienstverhältnisses mit ihr, so das Fazit, „begreiflich“.
Diesem Eklat voraus ging ein jahrelanger Infight mit dem grünen Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn, der dem MdM-Aufsichtsrat vorstand. Dabei gehört Breitwieser zu Österreichs wohl renommiertesten Ausstellungsmacherinnen und Institutionsleiterinnen: Als Chefin der Wiener Generali Foundation machte sie sich in den 1990er-Jahren einen Namen; ab 2010 war sie drei Jahre lang Chefkuratorin für Medien- und Performancekunst am Museum of Modern Art in New York, ehe sie als Geschäftsführerin am MdM angeworben wurde. Fünf Jahre lang leitete sie das Haus. Sie erweiterte dabei den Kunstbestand am Haus stark, brachte allein 2300 Objekte aus der von ihr aufgebauten Generali-Sammlung ein. Ihre Amtsführung allerdings beschwor auch heftige Kritik herauf. Etliche Leute aus ihrem Team wanderten frühzeitig ab, manche berichteten von unzumutbaren Arbeitsbedingungen, auch von Burnout war die Rede. Sie selbst weist alle Kritik zurück, fühlt sich „gemobbt“. Inzwischen arbeitet Breitwieser als freie Kuratorin und Dozentin. „Ich bin eine dieser Corona-Gestrandeten“, sagt sie, nun in Wien angekommen; sie sollte dieser Tage eigentlich in Hongkong unterrichten, und demnächst könnte sie als Stipendiatin in Los Angeles am Getty Museum weilen.
profil: Hatten Sie mit dieser späten Kritik an Ihrer Amtsführung gerechnet?
Breitwieser: Ich bedaure, dass damit eine Chance vergeben wurde.
profil: Welche Chance meinen Sie?
Breitwieser: Einen wirklich kritischen Blick auf das Zusammenwirken von Direktion und Prokuristen mit Aufsichtsrat und Land – und eine ergebnisoffene Betrachtung meiner Teambildung. Aber ich begrüße, dass noch einmal genau geschaut wurde, wie das Haus damals dastand. Mich hatte allerdings niemand kontaktiert. Hätte man mir eine Rohfassung des Berichts zukommen lassen, hätte ich vieles aufklären können, und es gäbe jetzt ein klares Bild.
profil: Um Inhaltliches geht es dem Rechnungshof nicht. Seine Kritik zielt auf Ökonomisches – und das Betriebsklima.
Breitwieser: Richtig. Ich finde es gut, dass es diesen Bericht gibt, in dem übrigens auch Kritik am Land und dem Aufsichtsrat geübt wird. So wird festgehalten, dass ich zum Teil mehr als 56 Prozent Eigenmittel erwirtschaftet habe; für ein österreichisches Landesmuseum ist das enorm. Ich hatte das Museum im Herbst 2013 mit einem prognostizierten sechsstelligen Defizit übernommen, bei meinem Abgang fünf Jahre später hatte ich einen Bilanzgewinn von über einer Million Euro vorzuweisen. Veröffentlicht sind nun auch die Besucherzahlen, die in dem von mir zuletzt voll verantworteten Jahr fast 120.000 betragen haben – und nach mir meines Wissens nicht mehr erreicht wurden. Ein Rechnungshofbericht kann nicht über Inhalte urteilen – aber die Besucher können es.
profil: Warum strengte die Salzburger FPÖ als Opposition diese Sonderprüfung an, die hinterfragen sollte, ob es legitim gewesen sei, Ihren Vertrag nicht zu verlängern? Hoffte man, damit die schwarzgrüne Regierung zu blamieren?
Breitwieser: Rechnungshofprüfungen sind nichts Ungewöhnliches, und ich kenne Revisionen auch aus meiner Zeit bei der Generali Foundation. Aber diese Frage müssen Sie der FPÖ stellen. Mir kam es auch seltsam vor.
profil: Oder fand da eine überparteiliche Seilschaft zusammen, die in der Antipathie gegen Sie eine gemeinsame Basis fand?
Breitwieser: Da können wir beide nur mutmaßen. Einige finden es ja nachweislich schade, dass ich das Museum nicht mehr leite.
profil: Der grüne Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn, der auch Ihr Aufsichtsratsvorsitzender war, sorgte für Ihren Abtritt.
Breitwieser: Ich wurde von meinem Posten als Chefkuratorin am MoMA abgeworben und 2012 designiert, noch vor dem Salzburger Finanzskandal; 2013 wurde der Landtag aufgelöst, Haslauer wurde Landeshauptmann. Mit ihm hatte ich mich vorab über die geplanten Neuerungen am Museum abgestimmt, aber er gab dann überraschend die Kulturagenden an seinen grünen Koalitionspartner ab. Und Schellhorn wurde mein Vorgesetzter. Nach der nächsten Wahl war dieser übrigens nicht mehr für die Museen zuständig.
profil: Hätte er, als Vorsitzender im Aufsichtsrat, Ihre Amtsführung nicht schon früher überprüfen können?
Breitwieser: Das machte er natürlich laufend, denn auch als alleinige Geschäftsführerin hatte ich angesichts des engmaschigen Regelwerks wenig Handlungsspielraum. Alles Kostspielige wurde in den Aufsichtsratssitzungen besprochen und gemeinsam entschieden. Ein internes Kontrollsystem musste ich übrigens erst einführen. Ich hatte einen Prokuristen an meiner Seite, mit dem ich entsprechend der von mir initiierten Unterschriftenregelung Aufträge und Rechnungen ab einer bestimmten Höhe kollektiv zeichnete. Ich war bestens geschult, hatte das Geschäftsführer-Handwerk bei der Generali gelernt. Da hätte ich mir keinen Fehler erlauben dürfen, schon weil die Foundation als Kunstinstitution und Nichtkerngeschäft eines Versicherungskonzerns stets im Kreuzfeuer stand.
profil: Der Rechnungshof listet etliche Beispiele von Zahlungsverzug, Mahnspesen und Luxushotelrechnungen unter Ihrer Ägide auf, dokumentiert auch Kosten- und Arbeitszeitüberschreitungen, fehlende Förderverträge. Das interne Kontrollsystem sei äußerst mangelhaft gewesen.
Breitwieser: Es wäre sinnvoll gewesen, etwa bei den Hotelrechnungen die tatsächliche Anzahl der Nächte zu erheben. Alle Reisespesen wurden übrigens vor Abrechnung immer intern geprüft.
profil: Es waren angeblich drei Nächte in Basel, jede davon schlug mit fast 760 Euro zu Buche.
Breitwieser: Es waren mehr als drei Übernachtungen, wodurch sich der Preis pro Nacht deutlich reduziert, und eine davon hat sogar die Art Basel übernommen, weil ich dort eine Moderation übernahm und die Preise zur Messezeit bekanntermaßen völlig überzogen sind. Arbeitszeitüberziehungen waren am Haus schon vor mir gang und gäbe – und praktisch nicht kontrollierbar. Das kennen leider viele im Kulturbereich. Eine Ausstellung muss zur Eröffnung fertig werden, auch bei auftauchenden Widrigkeiten. Zu Beginn meiner Geschäftsführung kamen Überziehungen noch vor, dafür gab es Strafzahlungen, die ich dem Aufsichtsratsvorsitzenden übrigens schriftlich mitgeteilt habe. Mit der Einführung eines digitalen Zeitaufzeichnungssystems und einem genauen Monitoring in der Frage, wer welche Aufgabe im Rahmen seiner Arbeitsphasen übernehmen kann, wurden die Arbeitszeitüberschreitungen abgestellt.
profil: Schellhorn wirft Ihnen „mangelnde soziale Kompetenz" vor. Das Betriebsklima am Museum der Moderne sei miserabel gewesen, die Mitarbeiterfluktuation immens: Knapp 20 Leute aus Ihrem Team suchten das Weite. Wie sehen Sie das?
Breitwieser: Kooperationen, Teamführung und Teambildung sind meine Stärken, und ich berate ehemalige MitarbeiterInnen auf der ganzen Welt. Ich habe mich in Salzburg mit den einzelnen Mitgliedern meines Teams intensiv auseinandergesetzt. Als ich antrat, stellte ich fest, dass sich viele mit dem, wofür sie angestellt worden waren, nicht identifizierten und etwas anderes machten, als ihr Aufgabenbereich festhielt. Ich analysierte das und führte einige Personaländerungen durch, wieder mit Zustimmung des Aufsichtsrats. Die kolportierten Zahlen zur Belegschaft habe ich schon mehrmals dementiert. Am Ende war das Betriebsklima jedenfalls mit Sicherheit schlecht – so wie das Aufsichtsgremium mit dem Haus umgegangen ist.
profil: Sie haben vielfach festgehalten, Sie hätten in Ihrer Amtszeit „alle Ziele erreicht “? Hätte dazu nicht auch die Schaffung einer harmonischen Betriebsatmosphäre gehört?
Breitwieser: Natürlich, und ich bin überzeugt, die Leute haben bei mir viel gelernt. Wenn immer dieselben kritischen Stimmen gefragt werden, kommt auch stets die gleiche Antwort. Wäre es nicht im Interesse einer solchen Prüfung, auch andere Aussagen, die bisher nicht gehört wurden, einzubeziehen? Einige Leute aus meinem damaligen Team traten in Briefen an die Politik gegen das falsch gezeichnete Bild auf, und eine Mitarbeiterin nannte mich in einem öffentlichen Leserbrief „motivierend“ und „fördernd“. Nur diese Stimmen werden nie zitiert.
profil: Sie sehen sich nicht als schwierige Chefin?
Breitwieser: Ganz im Gegenteil, ich arbeite sehr kollegial und mit klaren Regeln, jeder und jede einzelne im Team weiß, woran man mit mir ist. Aber in Salzburg war ich schon sehr enttäuscht über die kolportierte Kritik an meiner Führung, die mir gegenüber von MitarbeiterInnen persönlich nie geäußert wurde und mit der ich mich daher konkret auch nicht auseinandersetzen konnte. Meine Schwäche ist vielleicht eher, dass ich die Menschen sehr nahe an mich heranlasse. Meine Tür stand allen offen.
profil: Eine gewisse Härte in der Sache wird bei Frauen oft anders bewertet als bei Männern.
Breitwieser: Das kann gut sein. Ich würde sagen, ich war vielleicht zu wenig konsequent. Ich habe es sehr lange mit Unterstützung versucht, und viele haben sich auch großartig entwickelt. Einige wollten oder konnten diesen Weg nicht mitgehen und haben sich beruflich verändert.
profil: Hätten Sie gerne weitere fünf Jahre Museumsarbeit in Salzburg gemacht?
Breitwieser: Nicht in dem Klima, das zuletzt dort herrschte. Ich glaube, meine Entscheidung, mich nicht mehr zu bewerben, war „begreiflich“, um den Rechnungshof zu zitieren.
profil: Österreichs Museumslandschaft erscheint immer noch weitgehend unreguliert. Viele Häuser arbeiten ohne klares Profil. Der Versuch einer Harmonisierung des Ausstellungsbetriebs scheint nicht zu funktionieren.
Breitwieser: Seit der Selbstständigkeit der Museen als wissenschaftliche Anstalten haben sich diese gleichsam darwinistisch entwickelt.
profil: Das unter Kulturminister Thomas Drozda 2017 erstellte „Weißbuch“ zum Zustand der Bundesmuseen zeigte kaum Wirkung. Nur die Direktorenkonferenz findet regelmäßig statt.
Breitwieser: Ja, das war schon nach der Museumsinitiative 2007, bei der ich mitgewirkt habe, der Fall. Es fehlt nach wie vor an inhaltlicher Koordination.
profil: Wie sähe Ihre Vision einer sinnvollen Museumspolitik aus?
Breitwieser: In der gegenwärtigen Krise bietet sich die Chance zur Neuorientierung. Die Institution Museum ist aus einem imperialen und kolonialen System entstanden, für eine bürgerliche Bildungselite, die sich damit abgegrenzt hat. Mit dem Wegfall des Bildungsbürgertums wurden die Museumsbesucher durch Touristen ausgetauscht, was eine Erfolgsstory ist, denn nie zuvor strömten so viele Millionen Menschen in die Museen. Das hat aber Konsequenzen.
profil: Auch in Salzburg sind es wohl mehrheitlich Touristen, die das Museum der Moderne besuchen.
Breitwieser: Natürlich. Am Mönchsberg zählten wir rund 80 Prozent ausländische Gäste. Im Rupertinum war das Gegenteil der Fall, und ich konnte mehr internationale Kunstinteressierte anlocken. Das Publikum verjüngte sich während meiner Zeit übrigens auch stark. Was die inhaltliche Koordination betrifft: In Paris etwa gibt es ganz klare Zuständigkeiten: Ins Musée d’Orsay kommen ausschließlich Werke, die zwischen 1848 und 1914 entstanden sind, alle jüngeren Arbeiten kommen ins Centre Pompidou. In Österreich wurde das Problem mit der Gründung des Leopold-Museums virulent. Von seinen Beständen her stellt es eigentlich Inhalte des Belvedere aus, die nun in einer Privatstiftung eine Art Joker-Dasein führen – touristisch sehr attraktiv.
profil: Das Belvedere hat keineswegs an Strahlkraft verloren. Es wird jährlich von immerhin 1,5 Millionen Menschen besucht.
Breitwieser: Großartig, aber das hängt wohl auch mit dem Gebäude und dem Standort zusammen. Auch das ist ein internationales Phänomen. Museen sind heute Orte der Erlebnisindustrie. Dazu kommt der Expansionsdrang der Direktionen: Aus der früheren Druckgrafiksammlung der Albertina wurde ein Mini-Metropolitan-Museum, in Besucherzahlen sehr erfolgreich. Aber der Wildwuchs treibt seltsame Blüten: Vor ein paar Jahren wollten gleich mehrere Museen eine Ausstellung mit Gerhard Richter machen.
profil: Welche Veränderungen in der Ausstellungslandschaft und welche Defizite der Museen stellen Sie fest?
Breitwieser: Im Bund und in den Ländern gibt es keine Ankaufspolitik. Ein Bekenntnis zur Sammlungstätigkeit wäre aber enorm wichtig. Auch um unseren Blick zu erweitern: Im MoMA werden – durchaus in Distanz zu seiner Gründungsgeschichte – längst verstärkt Werke aus Osteuropa, dem Nahen Osten, aus Afrika und Asien angekauft und ausgestellt. Wie andere große Tanker ist dieses den Kanon bestimmende Museum schon lange nicht mehr einer rein linearen, westlichen Kunstgeschichte verpflichtet. Das geht alles hier an uns vorbei. Und es ist ein Problem, dass es hierzulande keine Museums- und Sammlungsagenda gibt. Ich habe in Salzburg fast 3000 Werke erworben, davon ein Viertel Ankäufe, fast ebenso viele Schenkungen und natürlich die Dauerleihgabe der Generali-Sammlung. Die Mittel für Ankäufe musste ich erwirtschaften und dabei jedes Risiko eines Defizits strikt vermeiden. Ich hoffe sehr, dass die neue Kunststaatssekretärin Andrea Mayer auch dieses Thema anpacken wird.
profil: Bei einigen Bundesmuseen kann man eine Art Machttrunkenheit durch Publikumserfolg feststellen. Wer für starke Quoten sorgt, muss sich von niemandem mehr etwas dreinreden lassen. Das führte zum unkontrollierten Siegeszug des Blockbusters.
Breitwieser: Der könnte jetzt enden. Wenn der Kunstmarkt boomt, wie das in den 1980er-Jahren stattfand, wuchern auch die populären Ausstellungen. In Krisenzeiten besinnt man sich wieder auf Inhalte. Das wäre jetzt meine Hoffnung. Wir sehen derzeit ja auch, wie unterschiedlich auf die Krise reagiert wird: Das MoMA etwa politisiert sich – wenigstens online – zusehends.
profil: Die Politisierung des Bundes-Kunstbetriebs lässt dagegen noch auf sich warten.
Breitwieser: Krisen eröffnen die Gelegenheit, das Feld neu zu testen. Ein Museum ist keine politische oder ideologische Einrichtung, aber eine Hinterfragung der Inhalte in wechselnden Umfeldern und Zeiten wäre doch ratsam. Ich war schon bei der Gründung der Generali Foundation der Ansicht, dass eigentlich die Museen dieses Geld bräuchten, mit dem sich der Konzern fortschrittlich darstellen wollte. Während die Kunst unverblümt als Image-Instrument eingesetzt wurde, ist es mir gelungen, die Foundation mit einem kritischen Programm außer Konkurrenz zu stellen.
profil: Das in den Chefbüros der Bundesmuseen herrschende Schweigen in tagespolitischen Belangen ist vernehmlich.
Breitwieser: Die Direktorinnen und Direktoren müssen sich nicht zwingend zur aktuellen Politik zu Wort melden. Aber kunst- und museumspolitisch sollte ein Haus schon präsent sein. Denn international steht viel auf dem Spiel. Die Globalisierung der Kunst hat den Betrieb radikal verändert. Und in Österreichs Museen fehlt immer noch die kritische Debatte zur westlichen Kunstgeschichte – und hierzulande wurde die Chance verspielt, ein Relais zu Osteuropa zu sein. Nationale Konzepte machen in der Kunst keinen Sinn mehr.
profil: Die Albertina hat gerade eine Dependance eröffnet, die offensiv national orientiert ist. Wie sehen Sie die Austro-Kunstfeier in der Albertina modern?
Breitwieser: Ich war überrascht, dass so viele Leihgaben zu sehen sind und so wenige Werke aus der Sammlung Essl. Ich dachte, das sollte ein Haus für diese Kollektion werden, deren vielschichtiger steueroptimierender Hintergrund ja hochproblematisch war. Meine Sorge ist schon, dass die Leute – angesichts dieses Hauses, das sich so schmuck präsentiert und sehr zentral und sichtbar liegt – denken werden, dies sei Wiens Museum für moderne Kunst.
profil: Die Touristen brechen weg, und die Kunstversicherungspreise schnellen in die Höhe. Ist die Ära der Blockbuster damit beendet?
Breitwieser: Das ist noch nicht abzusehen. 2008, als die Finanzkrise ausbrach, riefen viele das Ende des Kapitalismus aus, aber die Hedgefondsmanager waren schneller wieder da als gedacht. Und der Kunstmarkt erholte sich ebenfalls bald. Ich denke, dass es diesmal länger dauern wird. Es wäre klug, diese Krise zu begrüßen und für eine Neuaufstellung zu nützen. Vieles wird sich ab sofort in Frage stellen: etwa der Glauben an das ständige Wachstum. Der Museumsbetrieb expandierte in den letzten Jahren sehr stark und die dafür notwendigen Summen mussten teilweise selbst erwirtschaftet werden. Der Druck, der auf den Direktionen und dem Personal lastete, war enorm. Diese Verantwortung wird in der Öffentlichkeit oft ausgeblendet.
profil: Was wird aus der sich nun offenbarenden Museumskrise folgen?
Breitwieser: Die jetzige Krise war eigentlich schon vorbereitet: durch die Klimakrise etwa, durch die hohen Preise am Kunstmarkt und die Rolle privater Sammler. Und wer kümmert sich um diese? Dafür gibt es in Österreich keine Strukturen und wenig Erfahrung. Der Ausbruch des Virus war nur der letzte Schritt, der all das wirklich sichtbar machte.