Franz Ferdinand mit Alex Kapranos (Zweiter von links)

"Sahen Sie #MeToo kommen, Herr Kapranos?"

Der Franz Ferdinand-Frontman im profil-Interview.

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INTERVIEW: ROBERT ROTIFER

profil: Ihr erstes Album erschien vor 15 Jahren. Wie ist es, Fans zu haben, die damals gerade erst zur Welt gekommen waren? Kapranos: Ich finde es erfrischend. Als ich jung war, suchte ich auch überall nach alten Singles von The Monochrome Set und fand es frustrierend, dass sie damals nicht mehr auftraten. Und ich mochte die Arbeit mit Ron und Russell Mael von den Sparks an unserem Kollaborations-Album "FFS". Wenn diese Typen in ihren Siebzigern noch so viel Energie haben, dann haben wir noch ein paar Jahrzehnte vor uns.

profil: War die Idee, Ihr neues Album "Always Ascending" teils in Paris beim Dance-Produzenten Philippe Zdar aufzunehmen, auch eine Geste gegen den Brexit? Kapranos: Und wie! Aber müssen wir über Europa reden? Das ist alles so erschütternd. Wir waren immer schon eine europäische Band aus Glasgow, ob es nun der deutsche Hintergrund unseres Gitarristen und Keyboarders Nick McCarthy war, ob wir 2003 in Schweden oder diesmal mit Philippe in Paris aufgenommen haben. Es tut gut, über die Erwartungen eines angloamerikanischen Sounds hinauszugehen. Ich liebe Europa.

profil: In Ihrer Eigenschaft als halber Brite vielleicht. Aber auch als halber Grieche? Kapranos: So sehr ich die Idee eines vereinten Europa und die Leichtigkeit des Reisens auch schätze - die EU hat sich gegenüber Griechenland benommen wie ein ökonomischer Tyrann.

profil: Nick McCarthy hat die Band 2016 verlassen. Warum brauchten Sie für ihn gleich zwei Nachfolger? Kapranos: Nick hat uns durch seinen Abgang ein großes Geschenk gemacht, so als hätte er gesagt: Ein Jahrzehnt der Band ist vorbei, jetzt könnt ihr machen, was ihr wollt. Unsere Rollen waren auf einmal nicht mehr so klar verteilt. Das gab uns die Chance, in einer neuen Dekade zu einem neuen Klang zu finden.

profil: Auf Ihrem jüngsten Tonträger findet sich ein Song namens "The Academy Award" mit der Zeile: "Das Geheimnis eines langen Lebens ist, sich von Männern fernzuhalten." Sahen Sie Weinstein und #MeToo kommen? Kapranos: Ich würde das gern bejahen können. Aber in Wahrheit kam diese Zeile aus einem Interview mit der ältesten Frau der Welt, die mit 117 verstorben ist. Vielleicht wusste ja sie, was auf uns zukam. Der Refrain dieses Songs, er heißt übrigens "Show me the body", stammt aus der Welt eines Privatdetektivs, sollte aber auch für die Objektifizierung von Frauen stehen. Dasselbe Thema wird auch in dem Lied "Glimpse of Love" zur Sprache gebracht. Das sind alles wörtliche Zitate aus Lockmeldungen, die man in Online-Medien findet: Sätze wie "Zeigt ihren schlanken Körper her" oder "Stellt einen Bluterguss auf ihrem Hals zur Schau, als sie das Studio verlässt". Die Leute sehen das und denken, es wären aufregende Geschichten über weibliche Berühmtheiten. Aber wenn man diese Zeilen für sich alleine betrachtet, sind sie äußerst schmierig.

Alex Kapranos, 45, ist Sänger der Band Franz Ferdinand (Foto, Zweiter von links). Nach anderthalb Jahrzehnten im Geschäft gehören die Schotten zu den größten überlebenden Gitarrenbands ihrer Generation. In ihrer jüngsten Inkarnation zeigen sie sich mit teils blond gefärbtem Haar, zwei jungen neuen Bandmitgliedern und klassischen Synthesizer- Sounds aus dem Fundus des Pariser Produzenten und Cassius-Mitglieds Philippe Zdar.