Schauluststeigerung

Höhepunkte im Programm der Viennale 2016.

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Es ist, wenn man Viennale-Direktor Hans Hurch über die einzelnen Punkte seines gewiss handverlesenen Programms sprechen hört, nicht ganz einfach, die Spreu vom Weizen zu scheiden. Die von Hurch stets ins Treffen geführten Adjektive "interessant“, "ungewöhnlich“ und "spannend“ helfen kaum bei der Durchleuchtung jenes Dschungels, den die Viennale alljährlich darstellt. Auch wenn das am Donnerstag dieser Woche gestartete Festival um einen Tag reduziert erscheint: 13 volle Spieltage, die mit großteils wenig bekannten Namen und Titeln besetzt sind, können einen schon vor gröbere Entscheidungsprobleme stellen.

Als erste Orientierungshilfe seien zunächst die neuen Arbeiten des Brasilianers Kleber Mendonça Filho ("Aquarius“), des Rumänen Cristi Puiu ("Sieranevada“) und des Franzosen Alain Guiraudie ("Rester vertical“) genannt: gesellschafts- und geschlechterpolitisch hochaktuelle Inszenierungen, gebaut aus Konversationslust, Kampfgeist und kühlem Witz. Die junge Filmemacherin Mia Hansen-Løve porträtiert gemeinsam mit Superstar Isabelle Huppert in "L’avenir“ die französische Intellektuellenszene, und der Kanadier Denis Villeneuve hat es mit "Arrival“ geschafft, einen Sciencefiction-Film zu drehen, der nicht Krieg und Aktion betont, sondern Pazifismus, Design und Linguistik. Im Dokumentarbereich ragen die meditativ gestimmten, aber sozial hellwachen Werke Sergei Loznitsas ("Austerlitz“) und Nikolaus Geyrhalters ("Homo sapiens“) heraus.

Die Nähe der Viennale zur Avantgarde ist, mit Weltpremieren von Ken Jacobs und Su Friedrich, deutlich zu spüren. Vier Programme, unter dem Label "Analog Pleasure“ versammelt, demonstrieren zudem die schaulustfördernde Projektion fotografischer Filme. Zwei große Verstorbene - der US-Avantgardist Peter Hutton und Autorenfilmer Jacques Rivette - werden ausführlich beleuchtet; Reisegelegenheiten in ein Paralleluniversum bietet die "Noticieros“-Schiene: kreativ gestaltete Kinowochenschauen aus dem Kuba der 1960er-Jahre. Und der aus Mähren stammende Filmemacher Robert Land, 1933 vor dem NS-Terror geflohen, wird in einer vom Filmarchiv Austria kuratierten Werkschau wiederentdeckt: 12 Regiearbeiten, entstanden zwischen 1922 und 1938, bietet man an, um einen bislang kaum beachteten Stilisten in Erinnerung zu rufen.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.