Literatur

Der Dachstein, so steht es zu befürchten, lässt ihn nicht mehr los

Seit 11. August ist Bodo Hell im Dachsteingebiet abgängig, trotz intensiver Suche der Einsatzkräfte konnte bislang kein Lebenszeichen des Wiener Schriftstellers gefunden werden. Stimmen zum Autor und Almhirten.

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Es ist vom Schlimmsten auszugehen. Am Vormittag des 11. August wurde bei der steiermärkischen Polizeiinspektion Haus im Ennstal die Abgängigkeit eines 81-jährigen Mannes gemeldet. Wie sich bald herausstellte, handelte es sich um den Wiener Schriftsteller Bodo Hell, der seit 45 Jahren jeden Sommer als Almhirte und Viehhüter die im östlichen Dachsteinplateau gelegene Grafenbergalm bewirtschaftet, oft wochenlang einzig in Gesellschaft von Ziegen, Pferden, Rindern. Tagelang wurde das Gebiet von der oberösterreichischen Bergrettung sowie der Alpinpolizei, unterstützt von Polizei- und Bundesheer-Hubschraubern, abgesucht. Nach den Großeinsätzen wurde in Kleingruppen das mehrere Hundert Hektar große Zielgebiet durchkämmt; durch neue Erkenntnisse aufgrund von Mobilfunk-Datenauswertungen wurde vergangenen Samstag, 17. August, mit 40 Helfern nach Hell gesucht, tags darauf eine geplante Gebietsübung der Bergrettung Steiermark ins Areal verlegt. „Da auch die erneute Detailsuche am 17. August aufgrund ausgewerteter Handydaten keine Ergebnisse brachte, wird der groß angelegte Sucheinsatz nun unterbrochen“, teilte die Bergrettung Obertraun kürzlich mit. „Sollten neue Informationen auftauchen, wird anhand dieser Anhaltspunkte die Suche erneut fortgeführt.“ Einer, der mit den Geschehnissen vertraut ist, merkt betroffen an, es wäre ein „außergewöhnliches Wunder“, wenn Hell noch am Leben wäre. Bis zum Redaktionsschluss am Donnerstagabend gab es kein Lebenszeichen von Bodo Hell. Er ist, im Wortsinn, vom Erdboden verschluckt.

Helmut Peschina, geboren 1943 in Klosterneuburg, kennt den Schriftsteller aus Studientagen. Ein Jahr lang wohnte der Autor und Gestalter der legendären Ö1-Hörspielfassung von Heimito von Doderers Roman „Die Strudlhofstiege“ damals auch in Hells Wohnung in der Wiener Alser Straße. „Seine ersten Bücher publizierte er unter dem Namen Bodo Ernst Hell“, sagt Peschina, der von seinem Freund abwechselnd in der Gegenwarts- und Vergangenheitsform spricht. 1979 war Hells erstes Jahr auf der Grafenbergalm. Peschina, einer der ersten Besucher hoch oben, erinnert sich an einen Mann schier unbegrenzter Tatkraft, an einen enzyklopädisch gebildeten Dichter. „Du alte Bergziege“, derart neckte Peschina bisweilen den Schriftsteller, was in Kenntnis von Hells jahrzehntelanger Leidenschaft für die Hornträger im Grunde liebevolles Lob war.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.