Pop

Seine seltsame Welt: Neues von dem legendären Musiker Edwyn Collins

Der schottische Songwriter Edwyn Collins macht trotz physischer Einschränkungen unverdrossen weiter Musik. Zum Glück, wie seine zehnte Soloplatte beweist.

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„Manchmal gibt es diese Platte, die man unter dem Empire State Building begraben könnte und die trotzdem ihren Weg in die Welt fände.“ So zitierte Edwyn Collins kürzlich im „Guardian“ den Produzenten Mickie Most – und mit der Platte meinte er natürlich seine eigene: Mitten in der Britpop-Hochphase konnte der Überhit „A Girl Like You“ (1994) für einen Moment den Eindruck erwecken, Collins habe in der zweiten Halbzeit seiner Karriere endlich das Spiel für sich entschieden, in das er anderthalb Jahrzehnte zuvor mit seiner Formation Orange Juice eingestiegen war. Furchtlos hatten diese maßgeblichen, aber unbelohnten Kräfte des Post-Punk bis zum abrupten Ende der Band 1985 rastlose Gitarrenriffs mit Soul und Disco abgeglichen – und Rebellion mit romantischen Gesten: eine Blaupause für viele erfolgreichere Indie-Acts der Nullerjahre.
„Rip it up ... and start again": So ließe sich, nach einem Orange-Juice-Song, die von Beharrlichkeit und inspirierenden Wiederauferstehungen geprägte Vita des heute 65-Jährigen ohnehin zusammenfassen – wovon nicht zuletzt die aktuelle Lebensphase zeugt, die gleichsam seine dritte Halbzeit markiert. Eine Nachspielzeit, mit der man nach zwei Schlaganfällen 2005, die Collins die Fähigkeit zum Gitarrespielen und zeitweise auch zum Sprechen raubten, kaum noch rechnen durfte. Doch der Schotte kämpfte sich zurück und fand nicht nur die Sprache wieder: Seit 2007 dokumentiert eine Reihe guter bis toller Soloalben sein intaktes Händchen für großes Songwriting.

„Nation Shall Speak Unto Nation“ ist nun das wohl beachtlichste Werk dieser Schaffensphase. Ein nostalgischer, dabei schnörkellos eleganter Liederzyklus, der dem Leben und seinen Härten mit sanften, schwebenden Melodien ins Auge blickt – und einem Maß an Resilienz und Zuversicht: „It's a strange old world, but it's my world“, wie es einmal anrührend heißt. Zwar hat Collins gerade seine Abschiedstournee angekündigt (Anfang 2026 mit drei Terminen auch in Österreich), aber sein letztes Lied dürfte noch nicht geschrieben worden sein, wie eine Andeutung im Albumfinale vermuten lässt. Wie gut, dass diese Musik weiterhin ihren Weg in diese seltsame Welt findet.