Der erbitterte Rechtsstreit zwischen Manker und der „Südbahnhotel Kultur”
Saal 1912, Handelsgericht in der Wiener Marxergasse, vergangenen Freitag. Anwesende: der Kläger Paulus Manker und alsbeklagte Gegenpartei, die „Südbahnhotel Kultur GmBH”, vertreten durch das Leitungsduo Ingrid Skovhus, Ehefrau des dänischen Baritons und eine ehemalige Regieassistentin Mankers, und Stefan Wollmann, früher im Opern-Kulturmanagement tätig. Skovhus und Wollmann sind vom Eigentümer des Hotels, dem Wiener Immobilientreuhänder Christian Zeller beauftragt, ein Kulturprogramm zur Belebung der Räumlichkeiten zu kuratieren. In dieser Funktion haben sie im vergangenen Herbst Paulus Manker mit seinem Polydrama „Alma” sowie einem siebenstündigen Karl-Kraus-Theatermarathon („Die letzten Tage der Menschheit”) für 2023 in die Spielstätte eingeladen.
Manker arbeitet seit Anfang April mit seiner Crew und seit Mai auch mit seinem Ensemble in dem gigantischen, faszinierend morbiden Kasten in tausend Meter Seehöhe mit atemberaubender Aussicht, wo um die Jahrhundertwende auch die legendäre Genie-Dompteuse Alma Mahler, die im nahen Breitenstein ihre Sommerresidenz besaß, illustre Künstlerrunden um sich versammelte.
Atemberaubend ist auch der Krieg, der seit Jänner zwischen den beiden Parteien tobt. „Wir müssten Herrn Manker eigentlich mit physischer Gewalt aus dem Hotel entfernen”, erklärt der Rechtsanwalt der „Südbahn Kultur” Nikolaus Vasak der Richterin und fügt, fast bedauernd hinzu: „Was wir natürlich nicht tun werden.”
Die Kurzfassung der zunehmend eskalierenden Schlacht: Am 27. Jänner 2023 kündigte die „Südbahn Kultur” den mit der „Alma Produktion” geschlossenen Mietvertrag, der Manker als Produzent berechtigt, 31 Vorstellungen seines seit 25 Jahre florierenden Kulthits „Alma” sowie im Anschluss zehn Vorstellungen des siebenstündigen Karl-Kraus-Epos „Die letzten Tage der Menschheit” im Südbahnhotel zu spielen.
Kurioses Detail: Trotz des Auflösungs-Schreibens hatte Zeller noch Manker und seine Frau Elisabeth Auer im Februar in seine Opernballloge eingeladen. „Natürlich bin ich nicht hingegangen“, sagt Manker. „Mit dieser geldgierigen Kanaille, die sich als Förderer der Künste aufspielt, will ich nichts zu tun haben.”
Die Begründung für die „sofortige Auflösung” des Vertragsverhältnis seitens der „Südbahn Kultur” wird nicht näher erläutert: „Wesentliche Vertragsbedingungen wurden nunmehr wiederholt verletzt...” Im Dezember 2022 kam es zwar zu einer gerichtlichen Einigung, dass die „Südbahn Kultur” nach Deckung der Produktionskosten (bei „Alma” 350 000 Euro, bei den „Letzten Tagen” ebensoviel) zu zwei Drittel am Gewinn beteiligt wird und auch an den Fördergeldern des Landes Niederösterreich in der Höhe von 60 000 Euro in einem solchen Verhältnis mitpartizipiert. Ein „Knebelvertrag”, der, so Manker, seine Firma „bei beiden Produktionen ohne den geringsten Gewinn wird aussteigen lassen”.
Tatsächlich scheinen die Profitchancen auch bei der Gegenpartei überschaubar, die Gefahr eines großen Verlustes scheint besonders bei der teuren, dennoch nur zehn Mal stattfindenden Karl-Kraus-Produktion gegeben. „ „Das ist der eigentliche Ursprung dieses Horrors,” ist Manker überzeugt: „Die Marionetten des Christian Zeller haben zu spät kapiert, dass mit diesen beiden sehr teuren Produktionen trotz der hohen Eintrittspreise kein Geld zu machen ist. Und mit dieser Erkenntnis begannen die täglichen Sabotagen.” Wollmann und Skovhus müssen ihres Zeichens, so erzählen sie „profil” ihre Gewinne mit Eigentümer Christian Zeller abteilen. Das Land Niederösterreich fördert das Kulturprogramm im Südbahnhotel insgesamt mit 140 000 Euro.
Am 6. April, also wenige Tage nachdem Manker mit seiner Aufbau-Crew bereits das Hotel bezogen hatte, kursierte ein erneutes Schreiben zwischen den Anwaltskanzleien, in dem Manker und seine Truppe „mit sofortiger Wirkung” aufgefordert wurden, das Hotel zu räumen und die Schlüssel zu retournieren. Mit demselben Datum wurde seitens der Vermieter zusätzlich der Antrag auf eine einstweilige Verfügung zur sofortigen Räumung gestellt, wobei Schadenspunkte wie die Demolierung einer „doppelflügeligen Holztür”, „eines Vorhängeschlosses” und „eines Metallgitters ”, angeführt werden.
„Das kann doch bitte keiner Ernst nehmen, Frau Rat,” sagt Mankers Anwalt Ortner, „durch dieses desolate Hotel, das weit über ein Jahrhundert alt ist, sind zehntausende Menschen getrampelt.” Die Richterin scheint amüsiert bis entnervt. Sie wendet sich an die Fraktion „Südbahn Kultur”: „Sie wollen Herrn Manker also raus haben?“ Einhelliges Nicken. „Und Sie sind jetzt also im Haus”, fragt sie Manker, „und es wird auch gespielt?” Manker nickt: „Selbstverständlich. Jetzt wird geprobt, ab 23. Juni wird gespielt. Schließlich sind die Schauspieler engagiert, sämtliches Inventar ist antransportiert worden. Solche Projekte passieren ja nicht von heute auf morgen und brauchen eine monatelange Vorbereitungszeit.”
„Das nimmt ihn alles sehr mit”, sagt Mankers Ehefrau Elisabeth Auer leise im Verhandlungssaal, die bei Mankers Produktionen die logistischen Fäden zieht. Manker arbeitet also seit April „vertragskonform”, aber unter dem drohenden Fallbeil einer Zwangsräumung mit seiner Crew und (seit Mai) mit zwei Dutzend Schauspielerinnen und Schauspielern mehr oder weniger ständig im Südbahnhotel am Semmering. Freunde erzählen, dass er aus Angst, vor verbarrikadierten Türen zu stehen, seit Wochen die Location nicht verlasse: „Wir haben uns abgewechselt, es mussten immer Leute von uns im Haus bleiben.” Wollmann und Skofhus werfen Manker hingegen vor, partielle Einnahmen aus dem Ticketverkauf auf „Manker-nahe Vereinskonten überweisen zu lassen.” Manker kontert, dass auch die „Südbahn Kultur” mit ihm nicht abgesprochene Ticketverkäufe tätige.
Das Hotel ist seit Herbst 2021 im Besitz des Immobilientreuhänders Christian Zeller, im gegenwärtigen Zustand noch großteils sanierungsbedürftig; die mit 2025 angekündigte Wiedereröffnung des Hotelbetriebs wird von vielen als völlig illusorisch betrachtet. Noch im vergangenen Jänner erklärte Zeller in einem Interview mit der „NÖN“, dass er hoffe, „in wenigen Monaten Partner präsentieren zu können”, von denen bis heute keine bekannt gegeben wurden. Die Renovierungskosten des Hotels werden von Insidern auf 60 bis 80 Millionen Euro geschätzt: Mit nur 100 Zimmern scheint eine Rentabilität so gut wie unmöglich.
Eine solche 180 Grad-Wende Zellers, wie sie Manker jetzt durchlebt, musste auch der Intendant des „Kultursommer Semmerings”, Florian Krumpöck, 2022 durchmachen, der im Jänner des gleichen Jahres, als bereits nahezu alle 80 Vorstellungen seines Festivals mit Stars wie Lars Eidinger, Senta Berger und Birgit Minichmair eingetütet waren, von Christian Zeller aus dem Südbahnhotel, der vereinbarten Austragungsstätte, „regelrecht raus geworfen wurde”: „Plötzlich kam Zeller mit einem Knebelvertrag daher, der für uns existenzbedrohend war.” Krumpböck gelang trotzdem die Rettung seines Festivals, indem er ins „Panhans” übersiedelte und in einer Hauruck-Aktion einen Pavillon vor dem im ukrainischen Besitz befindlichen Hotel hochzog, in dem er auch heuer wieder sein Festival abhalten wird: „Dort wurden wir mit offenen Armen aufgenommen.”
„Ich fühle mich ein bisserl wie Fitzcarraldo”, erklärte Manker vor Ort im „Südbahnhotel. „Ich muss das Schiff über den Berg bringen – gegen alle Widrigkeiten und Zerstörungsversuche.” In dem Werner-Herzog-Film ließ Klaus Kinski in der Rolle eines kunstbesessenen Barons einen Flussdampfer im brasilianischen Urwald über einen Berg schleppen, um sich seinen Traum von einem Opernhaus mit Startenor Caruso im Dschungel zu erfüllen. Das Südbahnhotel ist Mankers Dschungel, „Alma” und Karl Kraus sind seine Carusos, und Zeller sowie „dessen Marionetten und Handlanger” (damit meint er Wollmann und Skovhus) jene, die dieses künstlerische Wunder zerstören wollen. Der Richterin wird er später seine Verzweiflung ungefiltert artikulieren: „Es gibt keinen Tag, an dem die Gegenseite nicht versucht, uns zu sabotieren, zu stören und uns zu behindern. Wir stehen vor versperrten Türen, wir mussten bei Minusgraden arbeiten, weil uns die Heizung im April abgedreht wurde, wir leiden wie die Schweine. Es ist eine einzige Hölle. Und ein durch und durch grauenhaftes Vertragsverhältnis.”
Der Termin am Handelsgericht endete übrigens absurd. Die Richterin erklärte mit einem Seufzer, dass „die ganze Verhandlung ohnehin völlig sinnlos” sei, da man frühestens im September „mit einem rechtskräftigen Urteil” rechnen könne; im Fall einer Berufung dieses rechtskräftigen Urteils sei mit einem Resultat frühestens im November zu rechnen. Bis dahin hat Manker sein „Showbiz” ohnehin „ans End” geführt. Bestes Kakananien also, wie Robert Musil einst den bürokratisch aufgeblähten Apparat der K.u.K-Monarchie bezeichnete und deswegen eigentlich perfekt passend zu Karl Kraus‘ „Letzten Tagen der Menschheit” und „Alma”, jener Frau, die Manker auch für jenen Satz bewundert: „Nichts schmeckt so gut wie das Sperma von Genies.”
Für die Vorstellungen August und September gibt es übrigens noch Karten, Juni und Juli sind bereits ausverkauft. Ein späteres Telefongespräch mit Mankers Gegenpartei in Form von Stefan Wollmann belässt einen etwas ratlos. Er schätze Manker „als Künstler und Vollprofi” und wäre sehr dafür, dass der auch im nächsten Jahr im Südbahnhotel seine Produktionen abhalte. Warum aber dann die Räumungsandrohungen und Vertragsauflösungsschreiben? „Ganz einfach: Solche Strategien sind das einzige Druckmittel, damit Manker sich vertragsgemäß verhält.”
Lesen Sie die gesamte Reportage über Paulus Mankers „Fitzcarraldo-trifft-Shining”-Trip im Südbahnhotel in der profil-Ausgabe 24/2023 - hier als E-Paper.
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