Querelen

So reagiert das Festspiele-Direktorium auf die aktuellen Zerwürfnisse

Kommunikationspannen, gerichtliche Auseinandersetzungen und „Jedermann“-Zwist: Die Turbulenzen hinter den Kulissen der Festspiele reißen nicht ab. Eine Nachfrage in der Chefetage des Luxusfestivals.

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Es läuft derzeit alles andere als rund bei den Salzburger Festspielen. Ein Sommer der heftigen kulturpolitischen Querelen liegt hinter Festivalintendant Markus Hinterhäuser: Er hatte unter anderem den Protest des Schauspielers Cornelius Obonya gegen die Beteiligung der FPÖ an der Landesregierung als „abgenutzten Aktionismus“ von „bemerkenswerter gedanklicher Schlichtheit“ bezeichnet – und sich gegen die „ewig gleichen Empörungsrituale", die ihn an einen „Pawlowschen Reflex" erinnerten, ausgesprochen. Auch wenn man Hinterhäuser Sympathien für die FPÖ keineswegs unterstellen wird („Sie ist mir unsympathisch und in wesentlichen Punkten auch zuwider"), so klang der Ruf nach wirkungsvolleren und „anderen politischen Strategien", die es nun brauche, doch etwas wolkig. Denn eine Luigi-Nono-Oper wird die Misere des Rechtspopulismus leider nicht aus der Welt schaffen können.

Gegenwärtig gehen die kulturpolitischen Unstimmigkeiten aber alternative Wege; so blickt die Institution nun teuren juristischen Nachspielen ins Auge: Die jähe Absetzung der aktuellen „Jedermann“-Inszenierung, für die Regisseur Michael Sturminger und das Ensemble um Michael Maertens und Valerie Pachner vertragliche Zusagen bis inklusive 2024 haben, wird wohl beträchtliche Kompensationszahlungen nach sich ziehen.

Bereits am Mittwoch dieser Woche muss sich die Festspieleleitung am Wiener Arbeits- und Sozialgericht aber in anderer Sache verantworten. Der Vorwurf lautet: Zahlungspflichtverletzungen infolge Covid-bedingter Konzertverschiebungen und -absagen. Interviewanfragen werden vom Festivalchef dieser Tage meist abschlägig beantwortet, allenfalls schriftliche Kommunikation gewährt man zuweilen noch. „Zugegeben, es hat schon ruhigere Zeiten gegeben“, lässt man aus dem Festspielebüro also auf Anfrage wissen: „Aber so unrund“, wie profil insinuiere, laufe es „tatsächlich nicht“. Man verweist auf eine „hervorragende Festspielsaison“ 2023 und auf die Rekordauslastung von 98,5 Prozent. Das diese Woche anstehende Gerichtsverfahren drehe sich zudem „um die Klage eines einzigen Zusatzchoristen“ des Wiener Staatsopernchors. Man habe bekanntlich dafür gekämpft, dass die Festspiele trotz der Pandemie stattfinden konnten. „1400 Mitarbeitern wurde so Arbeit in sonst arbeitsloser Zeit gegeben.“

In Sachen „Jedermann“ bleibt man indes bei bürokratischen Formulierungen: „Es ist uns ein wirkliches Anliegen, in Abhängigkeit des jeweiligen Verhandlungsstatus mit den Schauspielerinnen und Schauspielern der Produktion 2023 und dem Leading Team korrekte Lösungen zu finden.“ Inzwischen hat sich die „Jedermann“-Causa jedoch zur Affäre ausgewachsen. Regisseur Sturminger hat starke Worte für seine Irritation über den Beschluss des Festspiele-Direktoriums gefunden und diese gerne mit den Medien geteilt. Via „Standard" nannte Salzburgs Ex-Schauspielchefin Bettina Hering die unerklärt vorzeitige Absetzung „schockierend unprofessionell“, „unerhört“ und „respektlos“ in der Umsetzung. Frage also an die Festivalleitung: Warum erschien es so dringend nötig, Sturmingers Inszenierung gegen alle Absprachen (und trotz der absehbaren negativen finanziellen Folgen und Reputationsschäden) zu entfernen? „Nach drei Neuinszenierungen durch Sturminger in den letzten sieben Jahren war es vor allem aus künstlerischer, aber auch aus kaufmännischer Sicht dringend notwendig“, 2024 auf eine „neue künstlerische Handschrift“ zu setzen. Dass dies auch finanzielle Auswirkungen haben würde, sei „selbstverständlich in die Entscheidungsfindung mit eingeflossen“.

Doch nicht zerknirscht?

Die neue Schauspieldirektorin der Festspiele, Marina Davydova, wurde im „Standard“ vor drei Wochen mit dem Satz zitiert, die Entfernung des aktuellen „Jedermann“ habe „nichts mit einer persönlichen künstlerischen Präferenz von meiner Seite zu tun“, die Entscheidung habe auch nicht sie allein getroffen. Sie sei sogar „zerknirscht“ darüber. Dem halten die Festspiele-Chefs gegenüber profil nun entgegen, man habe „gemeinsam mit der Schauspielchefin nach dem Sommer die Entscheidung getroffen, dass 2024 eine Neuinszenierung des ‚Jedermann‘ dringend nötig ist“. Und Davydova selbst hält fest: „Das im ‚Standard‘ abgedruckte Zitat gibt meinen Standpunkt nicht zutreffend wieder. Die Notwendigkeit einer Neuinszenierung beruht auf verschiedenen Gründen, der künstlerische Aspekt war für mich aber bei Weitem der wichtigste.“ Sie stehe „zu unserer Entscheidung“, halte diese „für die einzig richtige“.

Warum aber wollte Hinterhäuser das alles – dem „Jedermann“-Team und den Medien – nicht transparenter, offener, nachvollziehbarer kommunizieren? Warum hat er sich dieses PR-Waterloo nicht erspart? „Unmittelbar nach unserem Entschluss, 2024 einen neuen ‚Jedermann‘ zu machen, hat Marina Davydova lange und ausführliche Gespräche mit Maertens und Sturminger geführt“, sagt Hinterhäuser nun. Dass in den darauffolgenden Tagen „auch kommunikativ nicht alles so gelaufen ist, wie ich es mir gewünscht hätte“, stelle er gar nicht in Abrede. Den Begriff „PR-Waterloo“ halte er allerdings für „etwas hochgegriffen“.

Auch die Präsidentin der Festspiele, Kristina Hammer, glänzt seit Wochen durch formvollendetes Schweigen. „Das Direktorium der Festspiele spricht über gemeinsame Entscheidungen mit einer gemeinsamen Stimme“, lässt sie nun ausrichten. Besetzungsthemen lägen im Verantwortungsbereich der Intendanz und der Schauspielchefin. Aber nach ihrer Rückkehr von einer Dienstreise in die USA habe sie „selbstverständlich“ unter anderem mit Maertens und Sturminger „kalmierende Kontextgespräche“ geführt, so Hammer.

Keine Veranlassung für „Gedankenspiele"

Das vielfach gestreute Gerücht, die ÖVP könnte über das Festspiele-Kuratorium gegen die aktuelle „Jedermann“-Inszenierung interveniert haben, weist die Intendanz deutlich zurück: Es gebe „weder politische Interventionen zum Programm, noch, wie uns oft unterstellt, vonseiten der Sponsoren. Entscheidend waren ausschließlich künstlerische, kaufmännische und interne Produktionsaspekte.“

Die künstlerische Leitung der Festspiele wird in Kürze neu bestellt werden. Markus Hinterhäuser weicht der Frage aus, ob er das Festival auch nach 2026 führen wolle. Er sei im Moment „vollkommen mit der Finalisierung des Programms 2024 beschäftigt“. Für andere Gedanken „oder Gedankenspiele“ gebe es derzeit weder Platz noch Veranlassung. Bis jetzt hätten dazu mit ihm „keinerlei Gespräche stattgefunden“.

Wenn man Hinterhäuser dieser Tage reden hört, könnte man auf die Idee kommen, er hielte all die Aufregung für viel Lärm um nichts. Das Direktorium widerspricht unisono: „Glauben Sie im Ernst, dass wir frei von Selbstkritik sind? Sind wir nicht. Auch aus diesem Vorgang werden wir selbstverständlich unsere Lehren ziehen.“ Und wer weiß, vielleicht hat das ja diesmal sogar einen gewissen Sinn. Gegenwärtig bemüht man sich, wie aus dem Festspiele-Umfeld zu vernehmen ist, hinter den Kulissen angeblich um eine möglichst freundliche Einigung mit dem „Jedermann“-Ensemble.

 

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.