"SOS" von SZA: Traurig wie Prinzessin Diana
So weitläufig und grenzenlos die Popkultur oft sein mag, so gerne gießen wir sie am Ende jedes Jahres in Bestenlisten, Charts und Top-Ten-Register. Die muss man jetzt alle umschreiben: Das neue Album von SZA, der neuen Queen of R’n’B, fordert einen Platz unter den besten Platten des Jahres – und zeigt uns, was wir aus dem post-pandemischen Jahr 2023 lernen sollten.
Denn es ist das Jahr, in dem man endlich Schluss machen sollte mit falschen Vorsätzen, erkalteten Liebesbeziehungen, toxischen Freundschaften. Das Coverfoto ihres zweiten Albums zeigt Solána Rowe, wie SZA eigentlich heißt, auf einem Bootssteg, der ins dunkelblaue Nichts ragt und mindestens zwei Fragen aufwirft: Sitzt die 33-Jährige hier auf einer Luxusjacht und genießt sie nur die Ruhe – oder will sie sich gleich desperate in die Wellen stürzen? Es ist eine Aufnahme, die gleichzeitig bedrohlich und beruhigend wirkt, die Widersprüchlichkeit dieses Albums spiegelt. Das Bild ist, unschwer zu erkennen, dem legendären Paparazzo-Foto von Prinzessin Diana nachempfunden, wie sie, 1997, gezeichnet von Königshaus, Scheidung und yellow press, sich im italienischen Portofino eine Auszeit gönnen wollte. Viel Herzeleid also. Nicht umsonst hat die Musikerin aus New Jersey ihr Album „SOS“ genannt und meint damit nicht etwa die Weltlage oder den Zeitgeist, sondern vor allem ihr persönliches Liebesleben; ihre Songs, für die sie sich fünf Jahre Zeit gelassen hat, pendeln zwischen Euphorie und der großen Leere, die nur ein Mensch hinterlassen kann, mit dem man einst mehr als Bett und Leben, auch die geheimsten Gedanken, Wünsche und Zukunftsvorstellungen geteilt hat.
Diesen Trennungs-Soundtrack hat uns SZA nun in 23 Breakup-Songs verpackt, die mal nach schnörkellosem R’n’B („Love Language“), dann wieder nach nuanciertem Radio-Pop („Too Late“) klingen und sich in den richtigen Momenten Unterstützung holen (auf „Ghost in the Machine“ hört man die Singer-Songwriterin Phoebe Bridgers). Das Überraschende: SZA bleibt bei all der Trauerarbeit ruhig und reflektiert, greift auch zur Akustikgitarre (in der Selbstermächtigungshymne „Nobody Gets Me“) und erklärt uns, dass Wut ein durchaus positives Gefühl sein kann („Kill Bill“).
Bleibt die Frage, ob es vielleicht besser sei, lieber gar nichts mehr zu fühlen, sich nicht mehr zu verlieben? Die Popkultur und SZA haben auch darauf eine uneindeutig eindeutige Antwort: Im Abschlusssong „Forgiveness“ holt sie den 2004 verstorbenen Wu-Tang-Clan-Rapper Ol’ Dirty Bastard noch einmal für ein Feature aus dem Songarchiv und singt sich frei von falschen Vorstellungen und alten Klischees. „Not in the dark anymore / I might forgive it, I won't forget it.“ Heißt: Wir werden uns viel verzeihen müssen. Und: „It’s all love.“
SZA: SOS (Top Dawg/Sony Music)
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