"Special" von Lizzo: Wonder Woman
Es scheint nichts mehr in Stein gemeißelt 2022 – schon gar nicht in der Popmusik. Nachdem die US-Sängerin Lizzo kürzlich für eine Textzeile in ihrem Song „Grrrls“ harsch kritisiert wurde (sie sang von ihren wilden, wörtlich: „spastischen“ Tanzeinlagen), änderte sie kurzerhand die Lyrics. So reagiert eine Künstlerin, die nicht nur ihre betont woken Anhängerschaft bei Laune halten möchte, sondern auch ein Gespür für Menschen hat, die entweder mit Krankheiten zu kämpfen haben, sich in ihrem Körper nicht zu Hause fühlen, oder, wie Lizzo selbst, einfach special sind.
Auf „Special“, ihrem neuen Album, führt Lizzo, die eigentlich Melissa Viviane Jefferson heißt, in knackigen 35 Minuten vor, was Popmusik in diesen Jahren der großen Umbrüche sein kann: ein Verstärker und Multiplikator für all die gesellschaftspolitischen Themen und Unzulänglichkeiten, eine Lebensgrundlage für Menschen, für die Empowerment, Feminismus und Body Positivity nicht nur Instagram-Hashtags sind.
Dass der durchaus feingeschliffene und partytaugliche Seventies-Disco-Pop (Anspieltipp: „Break Up Twice“), der hier zelebriert wird, bei so viel Message in den Hintergrund rückt, tut der großen Ermächtigungssause keinen Abbruch. Lizzo ist der beste Beweis, dass Popmusik immer dann an Relevanz gewinnt, wenn sie das schier Unmögliche möglich macht und aus einer Außenseiterin die neue Queen of Pop zaubert: eine schwarze Frau aus Detroit, nach gängigen Schönheitsnormen übergewichtig, die sich sexuell betont uneindeutig gibt und sich und ihrem Publikum jeden Tag mehrmals sagt, dass es völlig okay ist, so zu sein, wie man eben ist. „It's a happy place in here, baby, you're safe“, heißt es in dem Song „Everybody‘s Gay“. In der Welt von Lizzo muss sich niemand mehr verstecken.
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