Stadt der Frauen: Xenia Hausner in der Albertina
Aus Xenia Hausners Gemälden blicken einem die weiblichen Modelle, mit denen sie arbeitet, ernst, bisweilen abweisend, vor allem aber: misstrauisch entgegen. Die Frauen haben, von der Kunstgeschichte seit Jahrhunderten ausgestellt, benutzt und zu Objekten gemacht, allen Grund zur Skepsis. Sie entgegnen nun sehr entschieden dem Blick, den man auf sie wirft, und sie stellen dabei Fragen, die sich kaum auflösen lassen. Was haben die Mädchen im Zugabteil, die einen so insistierend anstarren, mit Hammer und Baseballschläger vor? Wer ist die Frau, die mit geschlossenen Augen quer über der Windschutzscheibe liegt, während ein junges Paar im Inneren des Fahrzeugs eng umschlungen daliegt? Und was plant die Gestalt mit dem Messer hinter der Frau mit dem signalroten Sweater?
In der Albertina kann man über eine der Rolltreppen ab 3. Mai (und bis zum 8. August) in das erzählerische Bilderreich der Wiener Malerin Xenia Hausner absteigen wie in eine mythische Unterwelt, in eine Stadt der Frauen (wie bei Fellini oder Lynch), in einen Abgrund der Rätsel.
Die Ausstellung „True Lies“, kuratiert von Elsy Lahner, versammelt Werke aus drei Jahrzehnten, aus allen Phasen des Schaffens dieser Künstlerin, die sich erst in den frühen 1990er-Jahren, nach einer Karriere als Bühnenbildnerin, der Malerei zugewandt hat. Ein geradezu altmeisterliches Frühwerk, das 1992 entstandene, noch verhältnismäßig reduzierte, aber bereits verführerisch strahlende Porträt der Berlinerin Renate Ankner, steht am Anfang der Ausstellung. Die „wahren Lügen“ aber, auf die der Titel der Schau anspielt, stecken in den raffiniert erdachten, präzise ausgeführten Inszenierungen Hausners.
Tatsächlich sind ihre Kompositionen, die sie mit ihren Modellen vorab in Fotos festhält, im Kern noch immer Bühnenbilder: Es sind im Studio gebaute, artifizielle Settings aus Kulissen, Requisiten und Menschen, die im Raum arrangiert, anschließend fotografiert und erst in einem dritten Schritt zu Malerei verarbeitet werden.
So eigenwillig einem Xenia Hausners Kunst entgegentritt, der Surrealismus ihres Vaters, des Phantastischen Realisten Rudolf Hausner (1914–1995), durchdringt, formal zwar radikal gewandelt, auch ihre Malerei: Das in seiner Konkretheit scheinbar direkt Greifbare entzieht sich dem Zugriff derer, die sich daran interpretatorisch versuchen. Die künstlerische Fiktion führt dennoch in die politische Wirklichkeit. „Es geht um die Uneindeutigkeit der Message“, sagt Xenia Hausner, unlängst 70 geworden, während des Rundgangs durch ihre Ausstellung. Politisch versteht sie ihre Werke gerade deshalb: In ihrer „Exiles“-Serie etwa thematisiert sie „Dislozierung, Wanderschaft und Verteilungskampf“.
In ihren auf den ersten Blick so „realistischen“, handwerklich perfekt ausgeführten Gemälden gibt es auch formal eine zweite Ebene: Die Hauttöne der Menschen darin weisen eine unnatürliche Fleckigkeit und Farbigkeit auf, als trügen sie alle noch die Spuren der Atelierarbeit auf ihren Körpern, als hätten sie gerade noch mit Pinsel und Farbtuben hantiert; und Xenia Hausner legt Wert auf die Materialität ihres Mediums, auf den Bruch mit der Illusion, auf den in den Bildräumen bewusst sichtbaren Strich und Farbbelag: Die selbstreflexive Anlage ihrer Bilder trägt zu deren Vielschichtigkeit, im doppelten Sinn des Begriffs, entscheidend bei.