Einen Film machen, der Fans der Erst-Trilogie wieder in den alten Zauber versetzt.

"Star Wars"-Kritik: Macht mal halblang

"Star Wars"-Kritik: Macht mal halblang

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Was hat die Macht eigentlich die ganze Zeit getrieben, bevor sie endlich wieder munter geworden ist? Auf die Schlummertaste gedrückt und sich nochmal auf die dunkle Seite hinübergedreht? Noch ein bisschen von den guten alten Zeiten geträumt, also von den Jahren 1977 bis 1983, als sie im Kino ihre größten Erfolge gefeiert hat? Noch immer Bauchweh gehabt wegen ihrer Prequels; ein Wort, das nicht umsonst nach Darmverstimmung klingt? Und: Kann sich die Macht eigentlich an ihre Träume erinnern, wenn sie erwacht?

Man kann sich das Blockbustermachen wie Lego-Technik-Spielen vorstellen: ein Teilchen wird, streng nach Bauplan, ans andere gesteckt und schließlich mit ein bisschen Hydraulik aufgemotzt.

Der Traum des J. J. Abrams, Regisseur des neuen, mit gigantischem Marketingaufwand publizierten Star-Wars-Films „Das Erwachen der Macht“, dürfte ungefähr so gegangen sein: Einen Film machen, der Fans der Erst-Trilogie wieder in den alten Zauber versetzt. Der eine neue Ära einläutet. Eine neue Hoffnung. Wer solche Visionen hat, braucht keinen Arzt, sondern bloß einen passenden Baukasten. Man kann sich das Blockbustermachen wie Lego-Technik-Spielen vorstellen: ein Teilchen wird, streng nach Bauplan, ans andere gesteckt und schließlich mit ein bisschen Hydraulik aufgemotzt. Und weil auch Spaß sein muss, klebt man an die Supersternenzerstörer-Karosserie ein lustiges Pickerl: Fahrzeug schert aus. Oder: Jedi an Bord.

Alles wie gehabt, alles wie geliebt: Eine ziemlich verworrene Familiengeschichte, ein ziemlich eskalierter Vater-Sohn-Konflikt, schicksalschwangere Gratwanderungen zwischen Gut und Böse.

Der Disney-Konzern, unter dessen imperialer Herrschaft dieser neue Krieg der Sterne angezettelt wurde, möchte in Filmkritiken zu „Das Erwachen der Macht“ lieber nicht zu viel vom Inhalt desselben lesen. Der Vorgabe kann leicht entsprochen werden, weil der Film rein inhaltlich erstaunlich wenig Neues enthält. Abrams variiert die Grundmotive der Originaltrilogie mit geringen Abweichungen (sieht man von einigen eigenwilligen Querverweisen auf Peter JacksonsHerr der Ringe“-Trilogie ab, deren Gollum offenbar nicht irgendwo in Mordor verendet ist, sondern eine erstaunliche galaktische Zweitkarriere hingelegt hat). Ansonsten alles wie gehabt, alles wie geliebt: Eine ziemlich verworrene Familiengeschichte, ein ziemlich eskalierter Vater-Sohn-Konflikt, schicksalschwangere Gratwanderungen zwischen Gut und Böse, junge Helden mit alten Werten, alte Helden mit guten Ratschlägen, letztsekündliche Rettungen, enorme Explosionen. Sogar die Mos-Eisley-Kantine kehrt, in geringfügig abgewandelter Form, wieder. Carrie Fisher und Harrison Ford sowieso (letzterer nähert sich in Mimik und Körpersprache übrigens zunehmend an Thomas Gottschalk an). Never change a winning team. Man kann es auch positiv sagen: „Das Erwachen der Macht“ enthält mehr als nur Spuren des alten Zaubers. Und funktioniert dabei wie ein Synonymenlexikon: Macht gleich Stärke, Kraft, Autorität, Bombast, Größe. Size Matters. Zum Beispiel, wenn es darum geht, einen noch tödlicheren Todesstern zu entwerfen als den alten Todesstern oder den zweiten, ein bisschen weniger alten. Alternativer Verleihtitel: Thesaurus Rex.

„Das Erwachen der Macht“ ist die beste Star-Wars-Fortsetzung, die uns passieren konnte – ein Traum!

Aber auch die höchstgezüchteten Blockbuster fliegen nicht schwerelos durchs Weltall, Zeit und Raum sind nicht ganz relativ, wenn man ins Kino geht. Und 2015 war nun einmal das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen mit unserer eigenen dunklen Seite, mit dem Irrationalen (Donald Trump, griechische Staatsanleihen), dem Traumatischen (Syrien) und dem Alptraumhaften (Grenzzäune). Ein erprobtes Heilmittel in solchen Fällen: sich an bessere Zeiten zu erinnern, an die eigene Kindheit zum Beispiel, in der man von all dem noch nichts wusste, von Krieg, Politik, Kapitalismus oder Religion, oder es bestenfalls von Luke Skywalker und Darth Vader vorgeführt bekam, bei denen am Ende erfahrungsgemäß alles in Wohlgefallen explodierte. War die erste Star-Wars-Trilogie noch ein nostalgisches Himmelfahrtskommando, springt „Das Erwachen der Macht“ in dieser Hinsicht elegant in den Warp-Antrieb, wenn man das in diesem Zusammenhang so sagen darf (darf man natürlich nicht!). Mit anderen Worten: „Das Erwachen der Macht“ ist die beste Star-Wars-Fortsetzung, die uns passieren konnte – ein Traum!

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.