Sternstunden & Spiegelneuronen: Das Schauspielprogramm der Festspiele
Das Schauspielprogramm ist bei den Salzburger Festspielen seit jeher ein Stiefkind. Um ein echtes Profil zu entwickeln, ist die jährliche Auswahl an Produktionen (meist drei bis vier Arbeiten) zu klein. Seit 2015 nach Sponsoren-Rückzug das „Young Directors Project“ eingestellt wurde, kommt das Junge, Experimentelle eindeutig zu kurz. Man setzt stattdessen auf ein bewährtes Modell: Deutschsprachige Stadttheater zeigen ihre geplanten Premieren einfach schon ein paar Wochen früher in Salzburg. Für die Besucherinnen und Besucher wäre es wahrscheinlich kostengünstiger, im Herbst nach Wien, München, Berlin oder Hamburg zu fahren.
Mit Marina Davydova, 1966 in Baku geboren, verantwortet heuer eine international bestens vernetzte Größe das Programm. Die eingeladenen Produktionen spiegeln dies bislang kaum. Das Burgtheater steht heuer ausnahmsweise nicht am Start. Dafür zeigt der Schweizer Regisseur Thom Luz, bekannt für seine musikalischen Abende, eine freie Version von Stefan Zweigs Miniaturen „Sternstunden der Menschheit“ (ab 27.7. im Landestheater) in Koproduktion mit dem Münchner Residenztheater. Das Hamburger Thalia Theater ist mit der „Orestie“ von Nicolas Stemann (ab 3.8. auf der Perner-Insel) an der Salzach. Und die deutschen Dokumentartheatermacher Rimini Protokoll haben sich mit der Berliner Tanzgröße Sasha Waltz zusammengetan, um das Publikum zum Hauptakteur zu machen: „Spiegelneuronen“ (ab 14.8. in der Szene Salzburg) beschäftigt sich mit dem Verhältnis unseres Gehirns zu unserem Körper. Überraschend ist ein Wiedersehen mit dem polnischen Altmeister Krystian Lupa, der passend zum 100. Jubiläum den Thomas Mann-Roman „Der Zauberberg“ mit einem Ensemble aus Litauen inszenieren wird (ab 20.8. im Landestheater).
Der neue „Jedermann“ wird nach dem Eklat 2023 heuer die Kassen füllen: Die Festspiele hatten bereits unterschriebene Verträge mit Schauspieler Michael Maertens und Regisseur Michael Sturminger gebrochen – und alle Beteiligten entschädigen müssen. Philipp Hochmair ist in der Titelrolle 2024 zwar keine überraschende Wahl, er tingelt seit Jahrzehnten mit seinem poppigen Jedermann-Solo durch die Lande, garantiert aber jene Volksnähe, die Salzburg liebt: Selbst Menschen, die sich für Theater gar nicht interessieren, werden sich freuen, den Exzentriker als Teil der Salzburger Society zu feiern. Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob nicht auch eine Frau den Jedermann verkörpern könne. Aber heuer darf wieder nur die Buhlschaft, die Schweizerin Deleila Piasko, bei einem eigenen Pressetermin ihr schönes, möglichst körperbetontes Bühnenkostüm präsentieren. Während es beim Titelhelden herzlich egal zu sein scheint, was er trägt.