Störsignale des Begehrens: Sofia Coppolas Elvis-Demontage und Catherine Breillats Tabu-Romanze
Die eine gibt sich unbeteiligt, die andere angriffslustig: Sofia Coppola und Catherine Breillat nähern sich in ihren neuen Filmen – in "Priscilla" und "Im letzten Sommer“ – zerstörerischen Liebesbeziehungen.
Es gehört zu den Eigenheiten des Kunstkinobetriebs, dass die an Lethargie grenzende Abgeklärtheit, mit der die Filmemacherin Sofia Coppola seit ihrem Debüt, seit „The Virgin Suicides“ (1999), schon arbeitet, von einer erstaunlich großen Öffentlichkeit als cool oder stylish missverstanden und gefeiert wird. „Lost in Translation“ (2003), der einzige wirklich beeindruckende Film, den Coppola bislang zuwege gebracht hat, profitierte eher von seinem Schauplatz (Tokio) und von dem kuriosen Zusammenspiel zweier Hollywood-Individualisten (Bill Murray, Scarlett Johansson) als von den Inszenierungsfinessen der Regisseurin.
Coppolas typisch vage Melange aus Sehnsucht, Luxus und Einsamkeit definiert auch ihren jüngsten Film, „Priscilla“, der von der unseligen Beziehung Elvis Presleys mit dem Teenager Priscilla Beaulieu handelt. Dieser Stoff, basierend auf den Memoiren der Ex-Ehefrau des Musikers, ergäbe nun vielfältige Möglichkeiten, über Sexualmoral und amerikanische Popkultur zu reflektieren, aber nichts davon geschieht in diesem seltsam leeren, fast geistesabwesenden Film.
Coppola beschränkt sich darauf, das grooming einer verliebten 14-Jährigen durch einen zehn Jahre älteren Weltstar sowie das anschließende Aneinander-vorbei-Leben des Paars in Graceland unverbindlich nachzustellen. Die US-Schauspielerin Cailee Spaeny bewegt sich als Titelheldin, deren kindliches Aussehen stark betont wird, in gebotener Schüchternheit durch diesen Film, trifft dabei allerdings auf Jacob Elordi, der als toxischer Elvis-Imitator charakterlich und darstellerisch arg beschränkt bleibt.
Von einem anstoßerregenden Liebesverhältnis berichtet auch die französische Provokationsagentin Catherine Breillat, die nach zehn Jahren Kinopause mit „Im letzten Sommer“ (Kinostart: 11.1.) nun ein bemerkenswertes Comeback hingelegt hat. In der Amour fou zwischen einer erfolgreichen Anwältin um die 50 (Léa Drucker) und ihrem Teenager-Stiefsohn (Samuel Kircher) verhandelt die Regisseurin auch die Kollision von erlernter (Selbst-)Kontrolle und adoleszenter Zerstörungswut – und bezieht einiges an Spannung aus der Heimlichkeit einer Affäre, die für alle Beteiligten desaströs enden könnte. Breillat Blick auf das klinische Oberschichtsleben ihrer Heldin an der Seite eines unberechenbaren Ehemanns (brillant: Olivier Rabourdin) eignet etwas Süffisantes, Chabrolhaftes. Dieser so trügerisch sommerliche, in Wahrheit sehr frostige Film führt vor, wie die Störsignale des Begehrens umweglos in den Irrsinn führen können; in „Priscilla“ hingegen, in den Boudoirs von Graceland, sind sie bloß plätschernde Hintergrundmusik.
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(profil.at)
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Stefan Grissemann
leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.