Morgenpost

Talent zur Beschwichtigung: Der steirische Kulturlandesrat ist um Ausgleich bemüht

Kulturkampf mit offenem Visier: In der Steiermark droht der Streit um die politische Umfärbung der Kunstförderung zu eskalieren. Ein Anruf bei Kulturlandesrat Karlheinz Kornhäusl.

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Eine Großkundgebung in Graz gestern Abend, die sich gegen den drohenden Kulturabbau und die schamlose politische Umfärbung der Branche richtete, zeigte noch einmal die in der Steiermark kulturpolitisch inzwischen verhärteten Fronten. Der Ton war in den letzten Tagen tatsächlich scharf geworden: Eine vielfältige gewachsene Kulturszene, die gegenwärtig ihrem Um- und Abbau ins Auge blicken muss, reagiert eben, wie sie reagieren muss: mit Existenzangst, Widerstand und Überlebensstrategien. 

Denn seit die blau-schwarze Koalition vor gut drei Monaten angetreten ist, hat sich etwas Bemerkenswertes gezeigt: Die freiheitlich geführte Regierung interessiert sich für kulturelle Belange. Und zwar sehr viel intensiver als gedacht. Vor drei Wochen besetzten FPÖ und ÖVP das wichtige, für Subventionsempfehlungen zuständige Kulturkuratorium handstreichartig um – und fand, seitens der Freiheitlichen, statt der geforderten Menschen mit hoher Kunstexpertise vor allem kulturferne Parteigünstlinge, Nationalisten – und Leute wie Franz Koiner, den Marketingchef einer rechtsextremen Verlagsgruppe (Stocker & Ares). 
Anruf bei ÖVP-Kulturlandesrat Karlheinz Kornhäusl, der seinem blauen Landeshauptmann, Mario Kunasek, hier ganz offensichtlich die Steigbügel gehalten hat. Doch Kornhäusl beschwichtigt: Er habe für die öffentliche Erregung angesichts dieser konservativen Intervention „allergrößtes Verständnis“. Neuerungen, neue Gesichter und neue Konstellationen, so sagt er,  führten eben immer „zu Verunsicherungen, zu Fragen, auch zu Sorgen und Ängsten“. Umso dringender müsse man in einen Dialog treten. So weit, so NLP.  

Nichts Negatives!

Er habe nun aber „mehrere Gespräche mit Mario Kunasek zum Thema Kultur und Volkskultur“ geführt. „Da war Interesse festzustellen, wurde nichts Negatives geäußert. Kunasek selbst sagt, es gehe um die kulturelle Vielfalt in der Steiermark.“ Aber: Wollen wir ihm das glauben, wo es im blau-schwarzen Arbeitsübereinkommen doch nur so schwirrt vor Heimat, Brauchtum, Blasmusik? „Den Versuch, das eine gegen das andere auszuspielen, wird es mit mir nicht geben“, setzt Kornhäusl fast schon vehement nach. „In der Steiermark war immer beides möglich, Avantgarde und Tradition, mit- und nebeneinander. Das muss weiterhin so sein.“ Und das habe übrigens auch Kunasek unlängst betont.

Was dann aber beispielsweise der Vertriebsleiter eines rechtsextremen Verlags im Kulturkuratorium zu suchen habe, kann auch Kornhäusl nur ausweichend beantworten: „Es ist das Kuratorium des Volkskultur- und des Kulturreferenten. Ich habe acht Persönlichkeiten nominiert – darunter übrigens vier Frauen – für deren Expertise und Weltoffenheit ich meine Hand ins Feuer lege. Die Pluralität und Diversität, die in der Steiermark immer geherrscht hat, stelle ich selbstverständlich weiterhin in den Mittelpunkt.“ 

Er sei „kein Freund von Vorverurteilungen“, sagt Kornhäusl noch – und distanziert sich noch einmal hauchzart von seinem Landeshauptmann, der kaltschnäuzig sieben Männer und null Frauen ins Kuratorium entsandt hat: „Mein Zugang in der Nominierung der Persönlichkeiten war ein anderer.“ Und schon sind wir wieder im Allgemeinen: „Ich werde unsere Kulturlandschaft gegen alle ideologischen Eingriffe, egal von welcher Seite, immer verteidigen. Demokratische Prozesse sind aber zu akzeptieren. Diese Nominierungen wurden rechtmäßig durchgeführt.“

Kampf um jeden Cent!

Der Landesrat plädiert am Ende noch dafür, dem neuen Gremium doch Zeit zu geben („Die haben noch nicht einmal zu arbeiten begonnen. Ich bitte um den nötigen Respekt jeder und jedem gegenüber, der sich da einbringen will“) und ihm ansonsten rückhaltlos zu vertrauen: „Wir haben im Land, in den Städten und Gemeinden eine angespannte budgetäre Situation. Das betrifft alle Bereiche des Lebens und der Politik, ist kein Alleinstellungsmerkmal der Kultur.“ Er werde aber „um jeden Cent für Kunst und Kultur kämpfen. 2019 hatten wir ein Kulturbudget von knapp über 60 Millionen Euro, derzeit verfügen wir über knapp 81 Millionen: Das ist eine Steigerung von 35 Prozent innerhalb von sechs Jahren. Der Löwenanteil geht in die großen Institutionen: ins Universalmuseum Joanneum und in die Bühnen Graz, auch in den steirischen Herbst und das Kunsthaus. In der freien Szene ist die Situation deshalb besonders sensibel, auch existenzbedrohend, das ist mir klar. Wir müssen diese Szene unterstützen, monetär und nichtmonetär.“

Karlheinz Kornhäusl, Kulturlandesrat und großer Beschwichtiger: Man möchte, bei aller Skepsis, nicht in seiner Haut stecken. Weitere Hintergründe zur kulturpolitischen Malaise in der Steiermark finden Sie übrigens in unserer kommenden Ausgabe.

Einen feinen Freitag wünscht Ihnen die Redaktion des profil.

Stefan Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.