aylor Swift Fans, aufgenommen am Donnerstag, 8. August 2024 bei einem Baum in der Corneliusgasse in Wien. Nach der Festnahme zweier Terrorverdächtiger, die möglicherweise einen Anschlag auf die bevorstehenden Taylor Swift-Konzerte in Wien geplant haben, hat der Veranstalter Mittwochabend die Konzerte in der Bundeshauptstadt abgesagt.
Taylor-Swift-Absage

Über das Konzert, das nicht war

Alle drei Wien-Konzerte von Taylor Swift sind am Mittwochabend wegen Sicherheitsbedenken abgesagt worden. Gedanken eines „Swiftie“.
Eva  Sager

Von Eva Sager

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Alexis wäre zum ersten Mal pünktlich gewesen. Sonst ist er immer gut zwanzig Minuten zu spät, aber für Taylor Swift hätte er es geschafft. Sandra und Felix hätten uns einen Platz im Schatten reserviert, irgendwo neben einer Säule vor dem Stadion, beide natürlich viel zu früh, ich wahrscheinlich auch. Uns wären direkt ein paar Perlenarmbänder gerissen, weil wir das mit dem Knoten nicht verstanden haben. Wir hätten irgendwelchen Amerikanerinnen erklärt, was ein Käsekrainer-Hotdog ist. Wir hätten uns gegenseitig versichert, dass wir nicht weinen werden. Wir hätten geweint. Wir hätten die Bridge des Songs „All too well“ so laut mitgeschrien, als hätte sie Taylor Swift nur für uns geschrieben. Am Anfang hätte sie ganz sicher „Servus Wien“ gesagt. Oder vielleicht „Grüß Gott Wien“, so auf ironisch? „Hat wer ein Handy mit guter Kamera?“ „Nein.“ Unsere Fotos wären am Ende trotzdem die besten von allen. 

Erst neulich habe ich in einem Buch gelesen, man soll nicht über das „was wäre wenn“ nachdenken. Es bringe nichts. Aber wohin dann mit dieser ganzen angestauten Euphorie? Den ersten Text zu Swifts Wien-Konzerten habe ich vor über einem Jahr geschrieben, den letzten vor nicht einmal zwei Wochen. Irgendeinen Höhepunkt muss es doch geben? Das kann doch nicht alles gewesen sein? Von „keine Zeit für Meetings, muss Taylor-Swift-Karten kaufen“ zu „am 09. August brauch ich dringend Urlaub“ - und auf einmal heißt es: „Wir brauchen einen Nachruf auf die abgesagte Eras-Tour“. Das haben die „Swifties“ nicht verdient, das hat Wien nicht verdient. 

Obligatorischer Einschub: es gibt schlimmere Sachen als abgesagte Konzerte, viel schlimmere. Warum muss ich das überhaupt schreiben? Das weiß ich. Alle wissen das. Trotzdem stehen auf der Mariahilfer Straße Menschen mit Taylor Swift T-Shirts und starren apathisch aufs Handy. 

Sandra sagt, wir haben einen emotionalen Kater. Das, finde ich, fasst die derzeitige Gefühlslage der österreichischen „Swifties“ am besten zusammen. Zuerst waren alle betrunken von der ganzen Vorfreude und jetzt sind wir knallhart aufgeschlagen, quasi der personifizierte Tag danach. Nur hilft kein Aspirin. 

Sandra sagt, wir haben einen emotionalen Kater. Das, finde ich, fasst die derzeitige Gefühlslage der österreichischen „Swifties“ am besten zusammen.

Was kann man also tun? Vielleicht sollte man wirklich nicht an das „was wäre wenn“ denken, sondern an das, was bleibt. Und was bleibt? Die zwei jungen Frauen in der U-Bahn, die sich gegenseitig ihre Cowboystiefel gezeigt haben. Der Baum voller „Friendship Bracelets“ im sechsten Wiener Gemeindebezirk. Die zwei Mädchen, die zu „Fearless“ mitkreischen, während sie auf dem Gehsteig herumtanzen, zwischen lauter Fremden, so als wären sie ganz allein. Die vielen Menschen, die sich zum Freundschaftsbänder basteln im Prater getroffen haben. 

Es bleibt das gute Gefühl, wenn man jemandem mit Taylor Swift-Merchandise angrinst und die Person zurück lächelt, diese kollektive Freude an der Gegenwart. Irgendwie bleibt auch der Verteilerkreis in Favoriten, den die Stadt Wien spaßeshalber „Vertaylorkreis“ genannt hat. Dieser Hauch von Glitzer und Pailletten, der sich auch ohne Konzert schon über die Stadt gelegt hat. Der Gedanke an einen richtig guten Tag, an neue Freundinnen, an Solidarität. 

Alexis, Sandra und Felix bleiben auch. Und alle anderen, denen ich die letzten Monate mit der „Eras Tour“ in den Ohren gelegen bin, deren Songs ich in der Spotify-Warteschlange konsequent hinter „Out of the Woods“ geschoben habe.

Und natürlich bleibt die Musik. Mit wem könnte man Weltschmerz, Trauer und Enttäuschung denn besser verarbeiten als mit Taylor Swift? In „You’re on Your Own, Kid“ heißt es: „'Cause there were pages turned with the bridges burned. Everything you lose is a step you take. So make the friendship bracelets, take the moment and taste it. You've got no reason to be afraid. You're on your own, kid. Yeah, you can face this. You're on your own, kid. You always have been“

Dieses Gefühl, mit Freundinnen so fest lachen zu müssen, dass einem der Bauch weh tut, das ist Taylor Swift. 

Allein sind wir in dieser Sache aber garantiert nicht. Das beweisen die singenden „Swifties“ in der Corneliusgasse und am Stephansplatz, die sich gegenseitig trösten. Dieses Gefühl, mit Freundinnen so fest lachen zu müssen, dass einem der Bauch weh tut, das ist Taylor Swift. Auf TikTok nennt man das: „We were girls together“ („Wir waren zusammen Mädchen“). Und das gibt es weiterhin, mit oder ohne Konzert, das bleibt uns. 

Sandra sagt, in einer Konzert-Absage-Playlist darf „Death by a Thousand Cuts“ nicht fehlen. Alexis will „How Did It End?“ drinnen haben. Ich finde, es braucht vor allem „Soon You'll Get Better“, Taylor Swift singt darin: „You'll get better soon“ („Es wird dir bald besser gehen“). Dreizehn Lieder haben es am Ende hineingeschafft, für „Swifties“ ist das eine gute Zahl. Vielleicht hilft der Gedanke ja ein wenig, dass gerade ganz viele andere „Swifties“ dieselbe Musik hören und sich gemeinsam weniger allein fühlen.

„You're on your own, kid. Yeah, you can face this.“

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.