So verengen sich die Spielräume der Ironie zusehends, denn die populistische und extreme Rechte hat sich in diese eingenistet wie ein Bandwurm im Menschendarm. Bis vor Kurzem noch waren die rechten Demagogen vor allem durch völkische Humorlosigkeit und nationalistisches Pathos aufgefallen. Sie beanspruchten eherne Werte wie Gottglauben, Familie, Volk und Nation, richteten all das gegen die Zweideutigkeit der „Eliten“, gegen das angeblich Unauthentische der Bildungslinken. Aber nun, wohl auch unter dem Druck einer durchironisierten Social-Media-Kultur, ist der alte Bierernst einer neuen Unterhaltungssucht gewichen. „Die Ironie der YouTuber ist von Rechten, Rechtsradikalen und Netz-Nazis gekapert worden“, schrieb etwa Thomas Assheuer in der „Zeit“. Ironie sei „rhetorische Camouflage“, sie tarne „den mörderischen Ernst“.
Dabei hat sie eine durchaus elitäre Grundbedingung: Man muss die ironische Rede erst einmal erkennen, um sie wirken lassen zu können. In ihrem Kern ist sie nicht volksnah. Die Ironie des Marxisten Bertolt Brecht erreichte das Proletariat aus gutem Grund nicht. Allerdings, schreibt Stephan Gregory, Professor an der Bauhaus-Universität Weimar: „Ironie ist nicht nur im Bildungsbürgertum zu Hause, sondern ebenso selbstverständlich dort, wo Trump sich zeitlebens bewegt hat, in den Milieus der Reichen, der Geschäftsleute, der Celebrities und Showleute.“
„Gute Diktatur“
Auch Russlands Präsident Wladimir Putin spielt gern mit der Ironie, um seinen Überlegenheitsgestus zu demonstrieren: Mit Pokervisage serviert er Ungeheuerliches, zeigt auf dem politischen Parkett, wie diktatorische Retourkutschen aussehen können. Bei seinem Wiener Treffen mit dem damaligen Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl 2014, der stolz darauf hingewiesen hatte, dass er in seiner Funktion seit 2000 regelmäßig verlängert werde, rief Putin trocken: „Diktatur!“ – und fügte nach kurzer Pause an: „aber gute Diktatur“.
Österreichs rechtsrechte Recken haben ihr Faible fürs Maliziöse ebenfalls schon vor Jahren entdeckt: Herbert Kickl kommt als angestammter FP-Pointenschreiber ja sogar selbst aus dem Feld der Satire. Der Höhepunkt seines Jahres gipfelt stets in der Misanthropie seiner Aschermittwochsrede – erst vor wenigen Tagen bescheinigte er der neuen Regierung, als Koalition „kein flotter Dreier“ zu sein, „sondern eine Zwangsehe für Neuwahlflüchtlinge“.
Die rechten Massenbewegungen haben ihre Art der Ironie gefunden, eine „kalkuliert verletzende, zotenhafte Verunglimpfung“, eine „wiehernde Belustigung“, notiert Gregory noch. Der rechtsextreme brasilianische Ex-Präsident Jair Bolsonaro ist dafür ein gutes Beispiel: Er verkehrt demokratische Slogans gern satirisch in ihr Gegenteil, erfreut sich an Geschmacklosigkeiten, pubertären Machtgesten und Hassreden. Argentiniens rechtspopulistischer Präsident Javier Milei veranschaulichte seine Ideen zu radikalem Staatsabbau, indem er fotogen die Kettensäge schwang. Elon Musk tat es ihm, wenig originell, verspätet gleich. Und bezichtigt man sie des Faschismus, so recken die von der Tyrannei Träumenden ihrem Publikum bisweilen eben den aufwärts gestreckten Arm mit flacher Hand entgegen, wie dies erst unlängst Musk und der US-Ideologe Steve Bannon getan haben: rechte Ironie als „Terror im Konjunktiv“ (Assheuer).
„Aktiver Nihilismus“
Der Sarkasmus der Online-Trolle ist ins Repertoire der Rechtspopulisten übergegangen; Donald Trump höhnt, spottet und mokiert sich, macht sich ganz selbstverständlich auch über Behinderungen lustig. „Die rechte Ironie, das ist ihr Zweck, macht die Welt zum Witz und Menschen zu Sachen“, sagt Thomas Assheuer. Sie sei „aktiver Nihilismus“ und erzeuge „Sinnleere“.
Lange galten ironische Sprech- und Darstellungsweisen als liberal und antiautoritär, als Subversionsinstrument, das sich gegen totalitäre Wahrheitsansprüche ins Treffen führen lässt. Die humanistische Ironie kritisiert, macht sichtbar, opponiert. Charlie Chaplins antifaschistischer Film „The Great Dictator“ traf Hitler 1940 härter als all die warnenden Ansprachen seiner politischen Kontrahenten, denn die Kino-Satire setzte dort an, wo er gern gewesen wäre: in direktem Kontakt mit dem Volk.
Unter dem Deckmantel der populären Fiktion kämpft die Ironie auch heute noch gegen den Irrsinn der Gegenwart. Der südkoreanische Regisseur Bong Joon-ho, 55, der mit der makabren Sozial- und Klassensatire „Parasite“ vor sechs Jahren zu Weltgeltung und Oscar-Ehren kam, hat mit der dystopischen Science-Fiction-Komödie „Mickey 17“ dieser Tage eine Farce zum Wesen der Autokratie in die Kinos gebracht: Ein von Mark Ruffalo over the top gespielter toxischer Politiker, eine schwerreiche und größenwahnsinnige Führerfigur, ein über Leichen gehender Tyrann, dessen Luxusgemächer in Trumps Mar-a-Lago-Stil gehalten sind, erlebt darin Machtverlust und Untergang. Was er während der Dreharbeiten 2022 als Karikatur angelegt habe, so hat Ruffalo erklärt, erweise sich drei Jahre später als blanker Dokumentarismus. Er habe seine Diktatorenfigur praktisch „unterspielt“. In „Mickey 17“ ironisiert Regisseur Bong auch Elon Musks interplanetarische Kolonisierungsträume. Ein von Robert Pattinson gespielter „Expendable“ (ein Entbehrlicher) stirbt im Rahmen seiner lebensgefährlichen Missionen unentwegt; im Inneren des Raumschiffs, auf dem er arbeitet, wird sein Körper einfach immer wieder nachgedruckt, der Letztstand seiner Gehirninhalte jeweils neu implantiert: Als 17. Inkarnation seiner selbst trifft er da infolge eines Systemfehlers plötzlich auf seinen Doppelgänger, den 18. Mickey.
Den scharfen politischen Witz, der auch durch diesen Film weht, darf sich die Zivilgesellschaft schon deshalb nicht nehmen lassen, weil dessen Subversionspotenzial nicht wirkungslos geworden ist. Eine weiterhin für soziale Freiheit kämpfende Ironie wird – über die Schönheit des sanft abwegigen Denkens – das Grauen um uns nicht beseitigen, aber doch fassbar und vor allem: angreifbar machen können.