Kultur

Terror im Konjunktiv: Wie die rechten Kräfte die Ironie für sich benutzen

Sie schwingen im Wahlkampf die Kettensäge und träumen vom Urlaubsparadies Gaza: Zu den liebsten Taktiken der rechten Populisten und Autokraten gehört die Vereinnahmung der gegen sie gerichteten Satire.

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Wer den Zynismus besitzt, den zerbombten Gazastreifen als kapitalgeflutete, von der palästinensischen Bevölkerung hochdruckgereinigte „Riviera des Nahen Ostens“ zu imaginieren, hat auch die Chuzpe, die dagegen auftretenden Witze und Widerreden für sich zu benutzen. Am 26. Februar 2025 teilte Donald Trump auf seinem eigenen „Truth Social“-Kanal kommentarlos ein 33 Sekunden langes Musikvideo, in dem er und sein Chefberater Elon Musk als im Luxus schwelgende Gaza-VIPs zu sehen sind.

Künstliche Intelligenz (KI) war benutzt worden, um den Clip zu produzieren, Irritationen inklusive: Aus den Trümmern der Schlachtfelder erstehen Wolkenkratzer, Palmenstrände und Hotelresorts, vollbärtige Bauchtänzerinnen treten auf, Trump betatscht eine kaum bekleidete Frau in einem Club, und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu liegt, einen Longdrink umklammernd, mit dem US-Präsidenten neben einem Swimmingpool; ein Kind führt seinen goldfarbenen Trump-Luftballon spazieren, in den Hotels werden Trump-Goldstatuetten als Souvenirs feilgeboten, ein gigantisches Trump-Denkmal, ebenfalls in Vollgold, dekoriert eine Verkehrsinsel. Der die Bilder begleitende Song erzählt von der „goldenen Zukunft“, die Trump bringe („no more tunnels, no more fear / Trump Gaza is finally here“).

Kann es sein, dass Donald Trump und sein Social-Media-Team die böse Ironie dieses Videos nicht erkannt haben? Oder, schlimmer noch und leider auch wahrscheinlicher: Gehen sie davon aus, dass ihre Klientel die Kritik am Gaza-Plan darin ohnehin nicht sehen können wird?

Die Schöpfer des Werks, die in Los Angeles arbeitenden KI-Content-Produzenten Solo Avital and Ariel Vromen, reagierten konsterniert; sie gaben an, unmittelbar nach Trumps Verlautbarung seiner Palästina-Beach-Pläne am 4. Februar eine „interne Satire“ angefertigt und den Clip vor Wochen schon nur zwei Stunden lang online gestellt zu haben; sie hätten keine Ahnung, wie er in die Hände des Präsidenten gelangt sei – und es niemals darauf angelegt, Teil der „Propagandamaschine Trumps“ zu werden.

Flirt mit dem Totalitarismus

Aber für Trump ist all das kein Problem. Die Position, die er sich erarbeitet hat, ist denkbar bequem: je größer der Irrsinn seiner Worte und Taten, desto souveräner seine Außenwirkung. Mit jeder scheinbaren Blöße, die er sich gibt, mit jedem Akt der Unvernunft stellt er seine Unantastbarkeit unter Beweis. Donald Trump ist der unheilige Narr des bösen Amerika. Seinen Flirt mit dem Totalitarismus verkauft er als riskantes Entertainment. Und sollte sich jemand beklagen, dann war eben alles nicht so ernst gemeint: Nachdem Trump im Wahlkampf 2016 Barack Obama den „Gründer des Islamischen Staats“ genannt hatte, twitterte er der allgemeinen Empörung eine schlichte Immunisierungsphrase hinterher: „They don’t get sarcasm?“ Na, liebe politische Gegner? Witz nicht verstanden?

Stefan Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.