Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow in Wien
Er wolle von einem traurigen Jahr erzählen, als wäre es die schönste Zeit seines Lebens gewesen, schreibt Tocotronic-Sänger und Gitarrist Dirk von Lowtzow, 51, in seinem Tagebuchroman "Ich tauche auf". Der Titel ist einem Tocotronic-Song entnommen. Die Pandemie hat die Menschen in ihre jeweiligen vier Wände zurückgeworfen, Konzerttouren wurden verschoben, Künstlerersparnisse aufgebraucht. Es geht um die kleinen Dinge des Alltags ("Das Glück beim Staubwischen"), aber auch, wie sich diese in größeren Zusammenhängen spiegeln ("Dieses Jahrhundert wird das Jahrhundert der Einsamkeit sein"). Und: "Das erste Mal seit vielen Jahren habe ich Zukunftsangst."
Es ist ein sanftes, persönliches Buch geworden, das traurig und neugierig zugleich ist. Ein neues Tocotronic-Album wird da trotz Covid-19 eingespielt, aber Lowtzow fragt sich, ob er mit seinen quälenden Rückenschmerzen überhaupt auf Tour gehen könnte: Physio-Rolle, Osteopathen-Besuche, kein Alkohol seit knapp drei Monaten, Spaziergänge am Land, Rastlosigkeit und Putzfimmel, Alpträume und "senile Bettflucht",Fernweh nach Bulgarien infolge einer Romanlektüre. Dazu pointierte Zeitdiagnosen: "Empathie ist ein scheinheiliger Begriff. Diese Gesellschaft ist genauso gnadenlos, ungerecht und kriegerisch – wenn nicht gnadenloser, ungerechter und kriegerischer – wie alle anderen vor ihr."
Und: "Es ist gar nicht so leicht, mit steigendem Alter nicht reaktionär zu werden." Man könne die Beschädigung, die diese Zeit bei uns allen hinterlassen habe, noch gar nicht ermessen, schreibt Lowtzow über sein "Jahr der unfreiwilligen Ruhe". Zum Buch ist übrigens auch ein neuer Song entstanden, der sich "Sehnsucht nach unten" nennt – und das Tour-Leben geht auch wieder los: Dirk von Lowtzow wird am 21. April im Wiener Volkstheater lesen und konzertieren. Hoffentlich ohne nervige Rückenschmerzen.