HBO-Serie „Succession“: Vaterkomplex
Sympathie ist überschätzt: Die radikale HBO-Serie „Succession“ bricht mit Sehgewohnheiten.
Popkultur lebt von Affirmation. Wir lieben es, Songs zu hören, die unser Gefühlsleben widerspiegeln, interpretiert von Menschen, die wir cool finden. Auch TV-Serien versorgen uns mit Identifikationsmöglichkeiten: Wir fiebern mit Peggy Olson in „Mad Men“ (AMC), die sich in den 1960er-Jahren im toxisch maskulinen Feld der Werbung durchsetzt, und wir verstehen, dass ein Mafia-Killer wie Tony Soprano melancholisch werden kann („The Sopranos“, HBO). Bereits der amerikanische Fantasy-Bestseller „Game of Thrones“ (HBO) brach mit diesen Sehgewohnheiten: Kaum hatte man eine Figur ins Herz geschlossen, wurde sie möglichst brutal um die Ecke gebracht.
Noch radikaler agiert nun die HBO-Serie „Succession“, die gerade in die dritte Staffel gestartet ist. Das Kammerspiel um einen skrupellosen US-Medienmogul, der seine vier Kinder permanent demütigt und gegeneinander ausspielt im Wettbewerb um seine Nachfolge, ist nicht nur spannend wie ein Königsdrama von Shakespeare: So wenig Empathie die Figuren untereinander an den Tag legen, so schwer fällt es auch beim Zuschauen, nur einen Funken Sympathie für sie zu entwickeln. Sie stehen für ein durch und durch korruptes System, das in den letzten Zügen liegt.
Der „New Yorker“ fragte unlängst, ob „Succession“ die beste Sitcom der Welt sei? Nun, in die Top 10 gehört die innovative Serie auf jeden Fall, nicht zuletzt aufgrund ihres abgründigen Humors und ihrer famosen Besetzung: Brian Cox brilliert als widerlicher Vater, Jeremy Strong als eitler Sohn, der zwischen Größenwahn und psychischem Absturz pendelt, Kieran Culkin als dauerwitzelnder Zyniker und Sarah Snook als hyperehrgeizige Tochter in einer Männerdomäne. Faszinierende Ekelpakete, ganz ohne Identifikationswerte.
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