Der Unbeugsame: Meisterregisseur Andrzej Wajda ist tot

Der polnische Regisseur Andrzej Wajda starb am Sonntagabend im Alter von 90 Jahren. Ein Nachruf von Otmar Lahodynsky.

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Andrzej Wajda (1926-2016) gehörte zu den bedeutendsten Filmregisseuren Europas. Mit Werken wie „Der Mann aus Marmor“ oder „Der Mann aus Eisen“ rechnete er mit Stalinismus und Totalitarismus ab, in Frankreich drehte er 1983 „Danton“ über die französische Revolution. Sein vorletzter Film „Walesa, der Mann aus Hoffnung“ (2013) porträtierte den charismatischen Gründer der Gewerkschaft „Solidarnosc“. Im Jahr 2000 bekam er den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk.

Ich traf Wajda das erste Mal kurz nach Verhängung des Kriegsrechts Ende Dezember 1981, als er in einer Kirche in Warschau kleine Pakete für die internierten Solidarnosc-Funktionäre zusammenstellte. 1989 zog er für die wiedererstandene Gewerkschaftsbewegung für drei Jahre in den polnischen Senat. Doch er drehte lieber Filme und bildete an einer von ihm gegründeten Filmakademie junge Regisseure aus.

2010 durfte ich ihn in Warschau interviewen. Das Flugzeug mit Präsident Lech Kaczynski, vielen Politikern und anderen Prominenten war gerade in Russland abgestürzt, auf dem Flug zu einer Feier zum Gedenken an die tausenden auf Befehl Stalins 1940 in den Wäldern von Katyn hingerichteten polnischen Offiziere. Wajda hatte 2007 über das polnische Trauma seinen Film „Katyn“ gedreht, auch um seine persönlichen Erfahrungen aufzuarbeiten: Sein Vater, Offizier der polnischen Heimatarmee, wurde 1940 in einem NKWD-Gefängnis in Charkow erschossen.

Mein Film konnte den russischen Zuschauern zeigen, was sie nie zuvor gesehen hatten, nämlich wie Stalins Verbrechen wirklich ausgesehen haben

Wajda erklärte mir im Interview für profil: „Mein Film konnte den russischen Zuschauern zeigen, was sie nie zuvor gesehen hatten, nämlich wie Stalins Verbrechen wirklich ausgesehen haben, wie präzise und vorsätzlich und mitleidslos sie ausgeführt wurden. Ich hätte vor der Flugzeugkatastrophe in Smolensk nie damit gerechnet, dass dieser Film jemals im staatlichen russischen Fernsehen gezeigt werden würde. Mein Film lief zuvor in keinem einzigen Kino in Russland. Dass er nun ins russische Fernsehen kam, muss ganz klar politisch angeordnet worden sein.“

Wajda blieb bis zuletzt ein Unbeugsamer. Die neue rechtspopulistische PiS-Regierung kritisierte er. Noch Ende September hat Wajda beim polnischen Filmfest in Gdynia seinen neuesten Film „Powidoki“ („Nachbilder“) präsentiert, der für den Auslands-Oscar nominiert wurde. Er erzählt die Geschichte des polnischen Malers Wladyslaw Strzeminski (1893-1952), der sich dem kommunistischen Regime widersetzt hatte. „Ich habe einen Film gemacht, der zeigt, dass das Eingreifen in die Kunst nicht Aufgabe der Regierung ist“, erklärte Wajda vor einem Monat.

Er starb am Sonntag in Warschau im Alter von 90 Jahren.