Stille Anmut: Die neuen Filme von Christian Petzold und Damien Manivel
Auf vier Frauen konzentriert sich der Film "Isadoras Kinder", eine Studie zu den Zusammenhängen von Geschichte und Gegenwart, von Theorie und tänzerischer Praxis. Eine die Szenerie absolut beherrschende Frau tritt dagegen in "Undine" auf: Der Berliner Christian Petzold, 59, legt damit-knapp 20 Jahre nach seinem Regiedebüt( "Die innere Sicherheit")-seine neunte Kinoarbeit vor, mit Paula Beer als Titelheldin, die darin als irdische Entsprechung einer streng mythologischen Gestalt, eines Wasser-und Rachegeists wandelt. (Beide Filme starten am 1. Juli in Österreichs Kinos.)
Die junge Frau, von der Petzold in einer gewohnt stilisierten Inszenierung berichtet, erlebt eine Trennung durch Untreue und wird dadurch von dem Fluch, der auf ihr lastet, eingeholt: Der Mythos fordert von Undine einen Mord und die Rückkehr ins Wasser ein. Sie wehrt sich gegen diese Bestimmung und findet eine neue Liebe (Franz Rogowski, der schon in Petzolds "Transit" neben Beer aufgetreten ist, spielt einen Industrietaucher).Petzolds Zugriff ist deutlich metaphorisch, verweigert aber simplen Romantizismus: Die Historikerin Undine vermittelt Berliner Stadtentwicklung und Architektur, die Inszenierung setzt so Legende und urbane Sachlichkeit bewusst hart gegeneinander. Die ganz eigene Poesie, die Petzold auch diesem Sujet abringt, hat viel mit der präzisen Choreografie seiner Kinoentwürfe zu tun.
Der französische Regisseur Damien Manivel, 39, war selbst Tänzer, ehe er Film zu studieren begann. Seit 2007 inszeniert er fragile Momentaufnahmen, fünf kurze und vier abendfüllende Werke sind seither zusammengekommen. Sein jüngstes, "Isadoras Kinder",ist eine fast schon minimalistische Auseinandersetzung mit dem von einer privaten Tragödie geprägten tänzerischen Schaffen der US-Choreografin Isadora Duncan (1877-1927).Sie hatte ihre beiden Kinder bei einem Autounfall in Paris 1913 verloren; in ihrer Kunst, insbesondere in dem Solo "La mère",versuchte sie dieses Drama zu verarbeiten.
Die Frauen in "Isadoras Kinder"-zwei junge Tänzerinnen, eine Choreografin mittleren Alters sowie eine ältere Performance-Besucherin-befassen sich mit Duncans Ideen, weitgehend ohne Worte, oft in sich versunken, nur in Gesten und Bewegungsabläufen, die zwischen alltäglicher Verrichtung und künstlerischer Zuspitzung oszillieren. Manivels Film bietet, auch seiner halb dokumentarischen Passagen wegen, weniger eine "Erzählung" als eine offene, beobachtende Untersuchung tänzerischer Ausdrucksformen-und der stillen Anmut diverser, traditionellen Schönheitsvorstellungen nicht entsprechender Körper.