Kultur

Verführen, nicht belehren: Marie Rötzer wird Josefstadt-Theaterchefin

Die Josefstadt wird erstmals weiblich: Marie Rötzer übernimmt das Theater ab 2026 aus den Händen des Langzeitintendanten Herbert Föttinger.

Drucken

Schriftgröße

Das altehrwürdige Theater in der Josefstadt wird in Zukunft ohne einen selbst gern auf der Bühne stehenden Direktor auskommen müssen. Es war – von Otto Schenk über Helmuth Lohner bis zuletzt Herbert Föttinger, der bereits seit 2006 im Amt ist – fast schon Tradition, beliebte Schauspieler an die künstlerische Leitung des Privattheaters zu lassen. Mit Marie Rötzer, geboren 1967 in Mistelbach, steht ab der Saison 2026/27 nicht nur die zweite Frau in der Geschichte des über 200 Jahre alten Hauses an der Spitze, sondern auch eine erfahrene Dramaturgin, die zwar eine nimmermüde Netzwerkerin ist, sich aber sonst gern im Hintergrund hält. Sie führt weder Regie, noch ist sie schauspielerisch ambitioniert.


Ihre Aufgabe wird es sein, das Haus moderat zu modernisieren, ohne das treue Stammpublikum zu verlieren. Föttinger hat diesbezüglich wesentliche Vorarbeit geleistet. Rötzer traut man zu, dass sie mit dem nötigen Fingerspitzengefühl an die Arbeit gehen wird. Sie leitet seit 2018 erfolgreich das Landestheater Niederösterreich in St. Pölten, hat dort ein Gespür für aktuelle Stoffe bewiesen. Viele spannende weibliche Handschriften waren unter ihrer Leitung zu entdecken: Sara Ostertag etwa hat heuer mit Ilse Aichingers Roman „Die größere Hoffnung“ eine herausragende Arbeit abgeliefert. Sie wird 2025 in St. Pölten Jelinek inszenieren.

Rötzer hat gute Kontakte ins deutschsprachige Stadttheater, schließlich arbeitete sie zwischen 2012 und 2015 als Referentin von Joachim Lux am Thalia Theater in Hamburg: Regisseurin Yael Ronen wird in St. Pölten kommenden März auf ein Gastspiel vorbeischauen, Schauspielstar Joachim Meyerhoff aus seinem neuen Roman lesen. 


„Ich sehe das Theater nicht als moralische Anstalt, aber als Labor, um verschiedenste Meinungen, Äußerungen, Haltungen zu verhandeln“, sagt Rötzer. Dies beschreibt ihre offene, undogmatisch-neugierige Haltung. Sie will nicht belehren, lieber verführen – und das Theater als Ort der Gemeinschaft über alle Lager hinweg verteidigen. Im Rahmen ihrer Präsentation erklärte sie Anfang der Woche, sie wolle die Josefstadt als „österreichisches Erzähltheater weiterentwickeln“, stärker in die Stadtgesellschaft wirken und mit Kooperationen in den europäischen Raum ausstrahlen. Rötzer hat sich unter 22 weiteren Bewerbungen durchgesetzt. Ihr Vertrag läuft vorerst über fünf Jahre. Als kaufmännischer Direktor wurde Stefan Mehrens engagiert, der ab 2026/27 Alexander Götz ablösen wird.

Karin   Cerny

Karin Cerny