Das Regieführen scheint Ihnen zu behagen, Ihren dritten Film haben Sie, während Sie mit Ihrem Western „The Dead Don’t Hurt“ gerade durch Europa touren, bereits ins Auge gefasst. Ist das Inszenieren dem Schauspielen eng verwandt?
Mortensen
Das eine ähnelt dem anderen tatsächlich sehr. Als Schauspieler war ich stets an den Prozessen interessiert, war neugierig, wie all die Dinge an einem Set zustande kommen. Und ich war vor meiner Kinokarriere ja schon Fotograf und Autor. Mich hat die komplizierte Reise, die zwischen einem Drehbuch und seiner Realisierung liegt, immer fasziniert.
„Falling“, Ihr Regiedebüt, war 2020 Ihren Brüdern gewidmet, „The Dead Don’t Hurt“ ist nun Ihrer Mutter zugeeignet. Wie persönlich nehmen Sie Ihre Filme?
Mortensen
Beide Werke sind Fiktionen, die aber von Erinnerungen an meine Eltern und den damit verbundenen Gefühlen inspiriert sind. Es gibt in „Falling“ Szenen, die strikt autobiografisch sind, meiner Kindheit entstammen, nur ein wenig verändert wurden. Die beiden Filme sind persönliche Forschungsreisen, auch wenn die Storys drumherum erfunden sind.
Wer brachte Ihnen das Inszenieren bei? Haben der kanadische Body-Horror-Spezialist David Cronenberg, mit dem Sie seit 2005 immerhin viermal gearbeitet haben, oder der Argentinier Lisandro Alonso („Eureka“) dazu beigetragen?
Mortensen
Vielleicht. Ich hatte das Glück, über die Jahre mit vielen talentierten Frauen und Männern zu arbeiten. Es war vermutlich gut, dass ich mit dem Regieführen lange gewartet habe, so hatte ich die Zeit, deren Methoden zu studieren. Die allerbesten unter ihnen waren stets die, die sich am genauesten vorbereitet hatten. Man wird am Set immer Probleme kriegen, egal wie gut man geplant hat, aber man kann alle diese Probleme in größerer Ruhe lösen, wenn man mit seinem Team gut kommuniziert und auf die eigene Organisation zurückgreifen kann. Und man braucht Offenheit: Denn gute Ideen können aus jeder denkbaren Richtung kommen. Ich teile den Leuten, mit denen ich arbeite, immer schon zu Beginn eine Projekts mit, dass ich an Zurufen und Ratschlägen interessiert bin. Ich vermittle meinem Team gern das Gefühl, dass ein Film nicht nur ein Job ist, sondern tatsächlich das persönliche Projekt aller Beteiligten.
Jeder Western erzählt auch von der amerikanischen Gegenwart. Wie blicken Sie auf die kommenden Präsidentschaftswahlen voraus?
Mortensen
Ich mache mir Sorgen. Ich meine, Donald Trump hatte bei der Wahl 2016 fast drei Millionen Stimmen weniger als Hillary Clinton, 2020 hatte er sieben Millionen Stimmen weniger als Joe Biden. Ich denke also, dass er die popular vote im Herbst erneut verlieren wird. Allerdings beunruhigen mich die Täuschungsmanöver der Republikaner. Sie sind inzwischen bestens organisiert in ihrem Versuch, das System zu unterminieren. Durch das seltsame Wahlsystem in den USA, von dem ich mir wünschte, dass man es reformieren könnte, gilt ja das Electoral College, das Wahlmännergremium, also die Anzahl der Bundesstaaten, die man gewinnt – ungeachtet der Bevölkerungszahl des jeweiligen Staats. Die Republikaner haben aber eine Menge Leute in Positionen gehievt, die man früher nicht beachtet hatte. Das sind die Menschen, die das Wahlergebnis in den einzelnen Bundesstaaten beglaubigen müssen. Dort sitzen nun viele der Wahlleugner von 2020. Es wird somit recht einfach für die Republikaner sein, das Ergebnis 2024 im Fall einer Trump-Niederlage anzufechten. Ein Wahlbetrug steht ernstlich zu befürchten.
Sie gehen von einem Sieg der Demokraten aus?
Mortensen
Die gegenwärtige Administration hat Immenses geleistet. Trump hatte das US-Defizit beträchtlich vergrößert, er war ineffizient, hatte nachweislich schlecht regiert, hat außenpolitisch und angesichts der Covid-Situation versagt. Biden erbte 2021 eine desaströse Bilanz. Innerhalb von nur zwei Jahren, während der ersten Hälfte seiner Amtszeit, sanierte er Amerikas Ökonomie, reduzierte die Arbeitslosenzahlen, wofür man ihm viel zu wenig dankte – und sich stattdessen auf sein Alter einschoss. Es ist leider so: Seit 1960, seit der ersten Nixon-Kennedy-Debatte, ist Politik weltweit keine Frage der Inhalte mehr, sondern primär von Images, O-Ton-Fragmenten und visueller Darstellung abhängig. Das ist schon bitter.