Vizekanzler Babler zu den Kultursparplänen: „Manches wird nicht umsetzbar sein“
Es hat uns überrascht, dass Sie die Kulturagenden nicht – wie Ihr Vorgänger – einer Staatssekretärin anvertrauen, sondern selbst übernehmen wollten. Was reizt Sie an diesem komplexen, arbeitsintensiven Gebiet?
Andreas Babler
Es war mein absoluter Wunsch, diese Agenden zu übernehmen. Kunst und Kultur sind identitätsstiftend und tragende Säulen der österreichischen Gesellschaft. Kulturfragen sind hochpolitisch, vor allem auch gesellschaftspolitisch: Wie kann man Leistbarkeit und Pluralität, freien Zugang zur Kunst gewährleisten? Kultur ist ein Gegenmodell zu allem, das verengend wirkt. Und ein Aspekt, der oft ein wenig vernachlässigt wird, ist die Frage, wie es den Menschen, die an Kultur arbeiten, den Künstlern und Künstlerinnen in diesem Land eigentlich geht – ob und wie sie von ihrer Kreativität leben können. Dieser Punkt beschäftigt mich sehr, das Thema Fair Pay ist da nur ein Aspekt. Letztlich geht es darum, all den Menschen, die in dieser Kreativwirtschaft arbeiten, mit Wertschätzung zu begegnen.
Da haben Sie in Zeiten der Defizitbekämpfung viel vor.
Babler
Stimmt. Aber wenn man Kunst und Kultur dann auch mit den Medien zusammen denkt, erkennt man, dass es eigentlich immer um dasselbe geht: um Pluralität und Redefreiheit. Da gibt es jede Menge Synergien. Das reicht bis zum Sport, der nun der Staatssekretärin Michaela Schmidt zugeordnet ist: Es geht um Zugang, Verfügbarkeit und Breite.
Sind Sie als Kulturminister auch so etwas wie der erste Leser, der erste Theater- oder Opernbesucher dieses Landes?
Babler
Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, wöchentlich in Opernhäusern zu Gast zu sein, aber als Besucher habe ich einen sehr breiten Kulturbegriff. Auch in meinen früheren Funktionen habe ich das so gehalten, war oft bei Festspieleröffnungen, habe Seebühnen und Theaterproduktionen besucht. Und ich verbinde das Private gern mit dem Dienstlichen: Meine drei, vier Tage Osterurlaub etwa habe ich gerade auch dazu genutzt, Reinhold Bilgeris multimediale Lesung seines neuen Romans zu besuchen, in der er Literatur, Film und Gesang kombiniert hat. Und da ich schon in Vorarlberg war, hab ich gleich auch Österreichs einziges Frauenmuseum im Bregenzer Wald besucht.
Nun haben Sie leider nicht nur Positives zu beackern. Angesichts eines massiven Staatsdefizits gibt es starke Einsparungsnotwendigkeiten: Woran werden Sie in der Kultur sparen? Gibt es Pläne?
Babler
Es gibt vor allem ein Bekenntnis: dass wir alle sparen müssen. Es ist, wie Sie sagen, ein schweres Erbe, das wir hier antreten. Die vorherige Regierung und mein Vorgänger insbesondere (der Grünen-Kunstminister Werner Kogler, Anm.) haben zuletzt viele Maßnahmen ohne Gegenfinanzierung gesetzt, daran haben wir uns nun abzuarbeiten, das ist keine leichte Aufgabe, das gebe ich zu. Ich appelliere daher an die gesamte Kulturszene, an alle Kunstschaffenden, rufe zu Solidarität auf. Ich werde natürlich darauf drängen, dass stärkere Säulen mehr beitragen sollten als fragilere. Gleichzeitig versuche ich, alles zu sichern, was zu sichern ist. Das beginnt bei den Bundestheatern und Bundesmuseen – aber ich will auch den kleinteiligeren Kulturinitiativen, die wir fördern, die Möglichkeit geben, weiterhin aktiv zu sein.
Müsste man da nicht ein bisschen konkreter werden?
Babler
Müsste man, ja, aber ich bitte noch um etwas Geduld, bis all diese Überlegungen abgeschlossen sind. Wir befinden uns in Verhandlungen. Es liegen viele Varianten am Tisch, die alle geprüft werden müssen, um darüber entscheiden zu können. Die Situation ist problematisch, aber ich bemühe mich, möglichst ausgeglichen zu handeln, um die Qualität und die Vielfalt des Kulturstandortes Österreich zu sichern.
In der Frage, wo genau man den Rotstift ansetzen müsste, werden meist die großen Kulturtanker, die Opernhäuser, Staatstheater und musealen Touristenmagneten als unentbehrlich angesehen, während die unabhängigen Institutionen, die sogenannte freie Szene, am ehesten zum Handkuss kommen.
Babler
Ganz ehrlich: Ich möchte das eine nicht höher bewerten als das andere. Natürlich sind die Bundestheater und die Bundesmuseen flagships, die mit grandiosen Auslastungszahlen arbeiten. Ob ich da mit Staatsopernchef Bogdan Roščić oder der Volksopern-Direktorin Lotte de Beer spreche – oder auch mit den Führungspersönlichkeiten der Museen. Wir haben dort gute Zahlen und Entwicklungen, aber die Breite macht’s aus, und ich will nicht, dass kleine Kunstfestivals vor Ort sterben müssen, nur um die großen zu retten. Ausgewogenheit muss der Ansatz sein. Aber das vereinbarte Sparpaket von 6,4 Milliarden ist eine Bürde – und rund 15 Prozent in jedem Ressort einzusparen, das wird nicht einfach werden.
Sie wollen uns die Kunst vorführen, wie man auf einer Glatze Locken dreht?
Babler
Ja, und wir werden, wie der Finanzminister schon betont hat, jetzt alle sparen müssen – alle. Wir werden das offen und transparent machen, und es wird Solidarität brauchen. Aber das ist kein Selbstzweck, sondern dient der kulturellen Sicherung und einer guten Zukunft, in der wir wieder größere Sprünge machen könnten.
Wie läuft Ihre Arbeitspartnerschaft mit dem von der SPÖ nominierten Finanzminister Markus Marterbauer und VP-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, die Sie dringend brauchen werden, um Ihre kulturellen Sicherungspläne durchzusetzen?
Babler
Mein wichtigster Mitspieler ist natürlich der Finanzminister, der gegenwärtig einzeln mit den Ressorts die Einsparungsverhandlungen führt. Er hat darüber hinaus ein Doppelbudget vorzubereiten. Unser Verhältnis ist sehr gut, wir machen ständige Updates, fragen einander, wo es Schwierigkeiten gibt, wo es politische Lösungen braucht.
Österreichs Filmlandschaft liegt derzeit brach, weil das Budgetprovisorium alle Gelder aus den Erfolgsfördertöpfen ÖFI+ und Fisa+ eingefroren hat. Drei Dutzend Film- und Fernsehprojekte stagnieren seit Monaten, Tausende Arbeitslose werden für die nahe Zukunft prognostiziert. David Schalko hat es unlängst so formuliert: „Die Hütte brennt.“