Kultur

Vorwürfe gegen zweiten „Corsage“-Darsteller: Beteuerung und Warnung

Ein zweiter, aus der Deckung der Anonymität agierender „Corsage“-Darsteller kontert über seine Anwältin nun die Vorwürfe, die seit dem Sommer gegen ihn erhoben werden. Es geht in diesen Anschuldigungen nicht um Kindesmissbrauch, sondern um gewalttätige Übergriffe gegen Frauen.

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Zu den bitteren Tatsachen, die den von Teichtmeisters Geständnis schwer in Mitleidenschaft gezogenen Film „Corsage“ bedrohen, gehört auch die seit vergangenem Sommer diskutierte Präsenz eines zweiten „toxischen“ Schauspielers im Ensemble jenes Films; diesem Mann wird seit Monaten in sozialen Medien und in informellen Branchengesprächen unter anderem vorgeworfen, er habe Frauen sexualisierter Gewalt ausgesetzt und sie bedrängt. Er selbst bestreitet diese Vorwürfe, und derzeit ist kein Ermittlungsverfahren gegen ihn im Gang.

Schon damals erklärte seine Regisseurin, Marie Kreutzer, im profil-Interview, dass es „schwer“ sei, auf solche Anschuldigungen adäquat zu reagieren, „da es sich am Ende des Tages ja um Gerüchte handelt. Sie würde „niemals“ auf Basis von Hörensagen einen Mitarbeiter „der Bühne verweisen oder ausladen, das wäre letztklassig; wir leben in einem Rechtsstaat, und wenn es gegen jemanden weder konkrete Vorwürfe noch ein Verfahren gibt, würde ich mich, wenn ich darauf mit Konsequenzen reagierte, als Richterin aufspielen.“

Die Gerüchte über diesen Schauspieler habe Kreutzer, so sagte sie im Juli 2022, „von ihm selbst schon vor langer Zeit erfahren“ – als an „Corsage“ bereits gearbeitet wurde. „Ich überprüfe nicht den Leumund meiner Darsteller:innen oder meines Teams. Was in deren Vergangenheit liegt, kann und will ich nicht lückenlos recherchieren. Ich kann nur darauf drängen, offizielle Anlaufstellen miteinzubinden und das alles eben nicht nur unter Kolleg:innen und Gleichgesinnten auszutragen. Man muss Schritte einleiten, nicht nur hinter vorgehaltener Hand darüber reden.“ 

Einen halbherzigen Schritt in diese Richtung hat der Mann nun getan – und über seine Rechtsanwältin Margot Rest ein ausführliches Statement an ausgewählte Medien gesandt. „Über die kursierenden Vorwürfe gegen einen nicht namentlich genannten Schauspieler der Produktion ‚Corsage‘“, heißt es darin einleitend, „möchte ich Ihnen in Vertretung dieses Schauspielers folgendes zur Kenntnis bringen: Im Februar 2021 tauchten erstmals über Social Media verbreitete anonyme Vorwürfe gegen meinen Mandanten auf, wonach dieser (sexualisierte) Gewalt gegenüber Frauen ausübe. Da mein Mandant die Vorwürfe nicht nachvollziehen konnte, bot dieser sofort an, die erhobenen Anschuldigungen mit der betroffenen Person im Rahmen einer Mediation oder in einem ‚Safer Space‘ aufzuarbeiten. Nachdem darauf keine Reaktion erfolgte, jedoch die Anschuldigungen weiter online verbreitet wurden, brachte mein Mandant eine Kreditschädigungsklage gegen die Verbreiterin dieser Postings ein. Im Rahmen dieses Gerichtsverfahrens kristallisierten sich die erhobenen Anschuldigungen als substanzlos heraus und verpflichtete sich die Posterin in einem Vergleich, die Verbreitung solcher tatsachenwidrigen Behauptungen zu unterlassen und diese zu beseitigen.“ 

Es sei ihrem Mandanten „ein großes Anliegen“, schreibt die Anwältin weiter, „weder bewusst noch unbewusst Grenzen zu überschreiten“, so habe er sich im Zuge der vor Gericht geführten Gespräche aus eigener Motivation freiwillig zu einer Sensibilisierungsschulung bereit erklärt.  Der Mann verurteile „zutiefst jede Form von Gewalt“ und weise daher „jegliche Vorwürfe in diesem Zusammenhang mit aller Entschiedenheit zurück“, ausdrücklich verwehre er sich gegen anonym über soziale Medien verbreitete Vorwürfe der Ausübung sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen, „insbesondere als diese so formuliert sind, dass sie Kenner und Kennerinnen der Kulturszene auf seine Identität hinweisen“.

Sollte ihr Mandant „irgendjemandem zu irgendeinem Zeitpunkt entgegen seiner eigenen Wahrnehmung verbal zu nahe getreten sein“, schreibt Margot Rest noch, „so würde er dies zutiefst bedauern und sich sofort in aller Form dafür entschuldigen.“ Er werde zudem in seinem eigenen Interesse sowie im Interesse der Produktionsfirma und aller weiteren Betroffenen „jederzeit mit seiner vollen Mitwirkung für die Aufklärung zur Verfügung stehen“. Nach Auftauchen der aktuellen Vorwürfe habe er „auch sofort die Plattform #we_do! kontaktiert und Gesprächs- und Aufarbeitungsbereitschaft erklärt, sollten dort gegen ihn gerichtete Vorwürfe einlangen“.

Der Brief schließt mit diesen Worten: „Zum Schutze seiner persönlichen und beruflichen Integrität und Reputation ersucht mein Mandant, auch in weiteren Berichterstattungen seinen Namen nicht zu nennen.“ Tatsächlich richten sich diese Zeilen also an all jene, die seine Identität kennen; es ist die Beteuerung seiner Unschuld – und eine höflich formulierte Warnung davor, seine Anonymität nicht zu brechen.
Dieser Schauspieler, sagt Marie Kreutzer auf Nachfrage noch, „hat uns in vielen Gesprächen versichert, dass gegen ihn keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe vorlägen und er nie übergriffig gehandelt hätte. Nun hat er sich über seine Anwältin ja erstmals auch dazu geäußert.“

Das sei, aus Sicht der Regisseurin, „gut und richtig“. Dass er dies „über seine Anwältin und ohne Namensnennung macht, kann ich zwar verstehen, hilft aber seinen Kollegen vom Set nicht sehr. Sie müssen derzeit damit leben, dass alle Männer, die an diesem Film mitgewirkt haben, unter Verdacht stehen“.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.