Weihnachtsbücher mit Tiefgang

Unsere Leseempfehlung zum Thema Politik und Geschichte.

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Die angebotenen Tipps für Populisten und solche, die es noch werden wollen, sind vielfach erprobt. Regel 1 etwa lautet: "Erfinden Sie eine Gesellschaft, die nur aus zwei Gruppen besteht: WIR und die ANDEREN." In Regel 2 heißt es: "Reduzieren Sie alles auf Ihre Kernbotschaft." Regel 13 empfiehlt: "Wechseln Sie blitzschnell in die Opferrolle." Und Regel 15 lautet: "Immer den bösen Einzelfall verallgemeinern." Die "Falter"-Redakteurin Nina Horaczek und der Kulturhistoriker Walter Ötsch ahnten in ihrem vor dem Sommer erschienenen Buch den österreichischen Nationalrats-Wahlkampf schon voraus. Zu Recht ist es auch in Deutschland ein Erfolg.

Walter Ötsch/ Nina Horaczek: Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung. Westend Verlag, 256 Seiten, 18 Euro.

Er ist Österreichs wohl politischster Karikaturist, und im vergangenen Jahr kamen Michael Pammesberger zwei sehr unterschiedliche Typen unter die Feder: Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz. Der Kanzler in spe gab vielleicht noch mehr her als der auch beim "Kurier"-Zeichner dauerpaffende Präsident. Der junge Sebastian als Drachentöter, als selbstverliebter Sonnenkönig, als übers Meer spazierender und dessen Routen ständig schließender Messias – Pammesberger hat Kurz in vielerlei Form im Repertoire. Seine Zeichnungen des Jahres gibt es nun in einem Sammelband.

Michael Pammesberger: 2017 – Great again! Ueberreuter, 136 Seiten, 19,95 Euro.

Es ist eine Fahrt in der Zeitmaschine: Der Historiker und Publizist Edgard Haider nimmt uns in seinem fein recherchierten Buch in das Wien des Jahres 1918 mit, in dessen Straßen Menschen verhungerten, Kriegsinvalide darbten, Kinder von der Tuberkulose dahingerafft wurden und Zehntausende an der Grippe starben. Ein Beitrag zum Gedenken an das Geburtsjahr der Republik.

Die politische Vorgeschichte dazu liefert der Historiker Hannes Leidinger in seinem neuen Buch "Der Untergang der Habsburger-Monarchie". Den Anfang vom Ende sieht Leidinger nicht erst 1914, sondern schon in Königgrätz 1866.

Hannes Leidinger: Der Untergang der Habsburger-Monarchie. Haymon, 440 Seiten, 29,90 Euro

Edgard Haider: Wien 1918 – Agonie der Kaiserstadt. Böhlau, 418 Seiten, 29,90 Euro

Flüchtlinge sehen immer anders aus, darum geht es in diesem Buch von profil-Autor Herbert Lackner: Einmal kommen sie aus Ungarn oder der Tschechoslowakei, dann aus Bosnien, und derzeit eben aus Afghanistan, Somalia oder Syrien. Lackner beschreibt eine Zeit, in der sich Flüchtlinge aus der Wiener Leopoldstadt, aus Graz, Znaim oder Berlin auf den Weg machten. Er erzählt vom Treck der Exilanten auf der Westeuropa-Route anhand von Personen, die jeder kennt: Alma Mahler-Werfel, Franz Werfel, Joseph Roth, Hermann Leopoldi, Heinrich Mann, Friedrich Torberg, Hannah Arendt, Walter Benjamin, Robert Stolz, Karl Farkas. Sie kannten einander und trafen sich auf ihrer Flucht immer wieder. Viele von ihnen überlebten nur dank einer tollkühnen Rettungsaktion eines jungen Journalisten.

Herbert Lackner: Die Flucht der Dichter und Denker. Wie Europas Künstler und Wissenschaftler den Nazis entkamen. Ueberreuter, 240 Seiten, 22,95 Euro.

Ein starkes Buch-Jahr der beiden "Falter"- Redakteurinnen: Barbara Tóth überarbeitete und aktualisierte ihre bereits 2005 erschienene Karl- Schwarzenberg-Biografie (Ueberreuter); Nina Horacek landete gemeinsam mit Walter Ötsch den Bestseller "Populismus für Anfänger". In einem Kraftakt haben die beiden Autorinnen jetzt eine bemerkenswerte Kurz-Bio geschafft – und das innerhalb weniger Wochen in ihrem fordernden Journalistinnen-Alltag. Jetzt wissen wir mehr über Sebastian Kurz – ob er als Kanzler taugt, werden wird demnächst wissen.

Nina Horaczek, Barbara Toth: Sebastian Kurz – Österreichs neues Wunderkind. Residenz, 128 Seiten, 18 Euro

Die prominenten Herausgeber schlagen 1848 und das Gegenwartsjahr 2018 als Pflöcke und definieren in diesem Zeitbogen acht "8er"-Jahre" – darunter natürlich 1918, 1938 und 1968 -die sie als Wendepunkte der österreichischen Geschichte definieren und von wiederum acht Autoren bearbeiten lassen (Hans Werner Scheidl, Bettina Poller, Anton Pelinka, Rudolf Taschner, Herbert Lackner, Bernhard Ecker, Helene Schuberth und Alexandra Föderl-Schmid). Die den Band herausgebenden Ex-Politiker schreiben den Prolog (Heinz Fischer) und den Epilog (Hannes Androsch).

Hannes Androsch, Heinz Fischer, Bernhard Ecker: 1848-1918-2018. Acht Wendepunkte der Weltgeschichte. Brandstätter, 224 Seiten, 34,90 Euro.

Wie bahnt sich eine Katastrophe an? Gerhard Jelinek, ORF-Mitarbeiter und Autor zahlreicher Arbeiten zum Thema jüngere Geschichte, geht dieser Frage in seinem neuen Buch nach: Er schildert die letzten 30 Tage vor dem "Anschluss" und der ihm folgenden Machtergreifung der Nazis anhand von Zeitungsartikeln, Augenzeugenberichten und umfangreichem Archivmaterial. Irritierend ist die Gleichzeitigkeit der Vorgänge. Am 10. März 1938, zwei Tage vor dem Einmarsch der deutschen Truppen, berichtet die "Kronen Zeitung" von Mövenschwärmen am Wiener Donaukanal, die österreichische Nationalbank gibt einen neuen 100-Schilling-Schein heraus, die Hohe Warte meldet mäßig bewölktes Wetter bei lebhaftem Westwind, und in Berlin sitzen Hitlers Generäle über dem Plan, der den "Anschluss" des Nachbarstaats zum Inhalt hat.

Gerhard Jelinek: "'Es gab nie einen schöneren März' – 1938. Dreißig Tage bis zum Untergang." Amalthea, 316 Seiten, 25 Euro.

Diesen Witz durfte man nur sehr leise erzählen: "Warum herrscht denn gar so ein Fleischmangel in der Ostmark? – Nun, die Ochsen sind beim Militär, die Schweine bei der Partei und die Kälber bei der Hitler-Jugend." Johannes Kunz hat freilich nicht nur Flüsterwitze aus dem Dritten Reich zusammengetragen, sondern spannt den Bogen von 1918 bis heute. Die von Kunz präsentierten "Kreisky-Witze" sind zum Großteil gar keine, sondern echte Kreisky-Zitate, die der Sammler selbst gehört hat. Kunz war schließlich viele Jahre lang Pressesprecher des Legenden-Kanzlers. Dabei wurde er auch Zeuge, als Kreisky bei einer SPÖ-internen Besprechung über politische Fehler philosophierte: "Es gibt solche, die alle bemerken, dann jene, die man nur selbst bemerkt, und die, die einem nicht einmal selbst bewusst werden. Mit denen hat man das größte Glück."

Johannes Kunz: "100 Jahre Österreich. Die Politik 1918-2018 in Spiegel des Humors." Amalthea, 252 Seiten, 25 Euro.