"Welcome 2 America" von Prince: Jenseits von jedem
Prince ist tot – und bleibt dennoch rastlos. Jetzt, fünf Jahre nach dem überraschenden Tod des Popweltstars im April 2016, ist ein Album mit bisher unveröffentlichter Musik von ihm erschienen – keine Bonustracks, keine B-Seiten, keine Zweitverwertung. Tausende weitere unveröffentlichte Songs und Skizzen sollen noch in den Archiven seines Anwesen Paisley Park in Minnesota schlummern. Soweit der Mythos über den Nachlass von Prince Rogers Nelson.
Und so beginnt „Welcome 2 America“ mit einer Predigt über die Lage des Landes. Inzwischen heißt es, Prince habe das alles schon kommen gesehen; die Black-Life-Matters-Bewegung, politische Desinformation und Fake News („The Truth is a new Minority“ heißt es im Opener), die Ausbeutung von Arbeiter:innen, Social-Media-Starkult, ein von Algorithmen bestimmtes (Konsum-)Leben. Auch die „New York Times“ schwärmt vom Propheten Prince, der bereits vor über zehn Jahren eine Idee davon hatte, wie die Welt anno 2021 aussehen wird.
Gute Popmusik schafft Interpretations- und Deutungsspielräume – und Prince war ein Meister, das Offensichtliche, auch seine politischen Anliegen, aber ebenso viel Banales in unwiderstehliche Popsongs zu verpacken. Die zwölf neuen Songs changieren nun zwischen sanfter Gesellschaftskritik („Running Game“; „Son Of A Slave Master“), Tanzkrachern („Hot Summer“), entbehrlichen Coverversionen („Stand Up And B Strong“) und Softporno-Spielereien („When She Comes“), die nach gut abgehangenem Soul, Funk und R&B klingen, ohne große Haken zu schlagen. „Welcome 2 America“ bleibt ein durchschnittliches, sehr solides Prince-Album, das aber, und dies lässt das Genie schmerzlich vermissen, immer noch besser klingt als ein Gutteil aktueller Popmusik.
Prince: „Welcome 2 America“ (Sony Music)
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