Wermutstropfen ins Herz: Wie die Maria-Lassnig-Stiftung ein Millionenerbe verwaltet
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Reportagefotos: Wolfgang Paterno
Das Flair der alten Vorstadt ist in Wien-Penzing gut ausgeprägt, als wäre die Zeit irgendwann um 1970 stehen geblieben. So gut wie nichts an der leicht abschüssigen Gurkgasse im 14. Bezirk weist darauf hin, dass hier einst eine Jahrhundertgestalt der Malerei gelebt und gearbeitet hat. Nur ein dezentes Schild am Hauseingang mit der Nummer 50 signalisiert einen Ort, an dem ein Vermögen verwaltet wird: „Maria Lassnig Stiftung“ findet sich darauf – und die Empfehlung, sich gegebenenfalls zu Tür 16 im 2. Stock zu begeben.
Dort, wo die 1919 in der Kärntner Einöde geborene, 2014 in Wien verstorbene Künstlerin Maria Lassnig einmal gewohnt und gemalt hat, öffnet sich heute ein weitläufiges, mit viel Glas und in klaren Linien modern angelegtes Büro, in dem das sechsköpfige operative Team der Stiftung seinem Tagwerk nachgeht. Peter Pakesch, der Vorstandsvorsitzende dieses Betriebs, führt kurz durch die Räumlichkeiten, zeigt die hier konservierte Bibliothek Lassnigs, deren Erfassung auch Ungeahntes zutage gefördert hat; ein Typoskript des Dichters Paul Celan etwa, den Lassnig 1951 in Paris kennengelernt hatte.
Hochsicherheitstrakt
Im Stock unterhalb des Stiftungsbüros, hinter Tür 15, lag einst Lassnigs Depot. Die Stiftung hat es ausgebaut und mit einem Hochsicherheitsportal versehen, mit Code- und Chip-Zugang, Alarmanlage und Überwachungskameras. Pakesch verspricht, später noch nach unten zu gehen und den generalsanierten Raum vorzuführen, man werde staunen.
Der Grazer Peter Pakesch, 68, setzte sich schon als Teenager aktiv mit der bildenden Kunst auseinander – und stieg schnell auf: In seiner legendären Galerie in der Ballgasse 6 rockte er das Wien der 1980er-Jahre mit junger Austro-Kunst, machte dabei Leute wie Franz West und Heimo Zobernig berühmt. 1996 wurde er Direktor der Kunsthalle Basel, 2003 übernahm er den Grazer Museumskomplex Joanneum, wo er im Herbst 2015 kündigte, um die Lassnig-Stiftung zu übernehmen.
Um das Sammeln, Sichern und Ausstellen geht es Pakesch auch in dieser Funktion noch: Er führt Lassnigs Bücher, Fotos und Briefe vor: Manches aus ihren Beständen – „wenn auch verblüffend wenig“, wie er sagt – sei auf der Strecke geblieben auf all den Reisen und Umzügen der rastlosen Künstlerin, irgendwo zwischen Kärnten, Wien, Paris und New York. Ihre Gemälde seien jedoch immer relativ sicher gewesen, auch weil sie lange mit ihren wichtigen Bildern der 1960er- und 1970er-Jahre reiste: „Sie führte die zusammengerollten Leinwände stets mit sich. Sie litten dabei übrigens nicht. Leinwandbilder sind erstaunlich geduldig.“
Prekariat? Kleinbürgertum!
Das prekäre Leben, das Lassnig bis in ihr siebtes Lebensjahrzehnt geführt habe, sei „ein partieller Mythos“, erklärt Pakesch. „In ihrer frühen Kindheit lebte sie in Armut, aber ab den späten 1920er-Jahren war die Bäckerfamilie Lassnig wohletabliert. Das war eine Existenz im Kleinbürgertum mit Aufstiegschancen; Maria besuchte immerhin die Ursulinen in Klagenfurt, da war eine große gesellschaftliche Ambition. Und sie hatte bereits mit zehn Zeichenunterricht.“
Maria Lassnig war ein uneheliches Kind, wuchs zunächst bei den Großeltern auf. Ihre Mutter war Buchhalterin, liierte sich mit einem Klagenfurter Bäckermeister, der ihre Tochter adoptierte. Die Ehe war unglückliche, in ihrem autobiografischen Trickfilm-Musical „Kantate“ (1992) wusste Lassnig ein Lied davon zu singen: „Mein Elternhaus, das war ein wahres Drama / Die Häferln flogen kreuz und flogen quer / Das Kind schrie: Bleib am Leben, liebe Mama / Das Kind litt unter diesen Kämpfen sehr / Ja ja , da merkt’ ich früh: Die Ehe ist kein Honig / Ein Wermutstropfen fiel mir früh ins Herz.“
Ab 1940, während des Naziterrors, studierte Maria Lassnig an der Akademie der bildenden Künste Malerei, eckte mit ihren Farbexperimenten an, blieb in ihrer Arbeit jedoch sonst eher konventionell. 1945 kehrte sie nach Klagenfurt zurück – und erlebte ihren ersten Modernitätssprung: Die fast schon brutale Intensität eines Selbstporträts im Halbakt, dessen bewusste Halbfertigkeit bis heute fasziniert, zeugt davon. Ihre Mutter mietete ein kleines Atelier für sie an, Maria Lassnig sollte es als Porträtmalerin zu baldigem Wohlstand bringen. Aber das interessierte sie nicht. Lieber zog sie zurück nach Wien, befasste sich mit dem Surrealismus und reiste mit ihrem Liebhaber, dem zehn Jahre jüngeren Arnulf Rainer, mehrmals nach Paris, wo sie die Abstraktion entdeckte. Sie kontaktierte dort Paul Celan und den verehrten Surrealisten André Breton, der auf Lassnig und Rainer aber enttäuschend bürgerlich wirkte. Stattdessen entdeckten sie die US-Malerei, die Wut und Ausdruckslust von Tachismus und Action Painting.
Body Awareness
In der Wiener Bohème der 1950er-Jahre schon, erzählt Pakesch, habe Lassnig den Status der interessantesten Künstlerin gehabt, auch weil sie technisch derart virtuos gearbeitet habe. „Ich malte besser als so mancher Mann“, sang Lassnig in ihrer „Kantate“ – und das war noch eine Untertreibung. Denn tatsächlich war sie besser als alle anderen. Aber die Wiener Avantgarde drängte Künstlerinnen systematisch ab. Lassnig alliierte sich mit Künstlern wie Padhi Frieberger und Oswald Wiener, wurde zu einem inoffiziellen Mitglied der Wiener Gruppe. Lassnigs Idee der „Body Awareness“, einer streng subjektiven Malerei der Körperempfindungen, tauchte bereits in den 1950er-Jahren auf. „Sie suchte stets die intellektuelle Herausforderung, auf höchstem Niveau“, so Pakesch. „Der junge Oswald Wiener gab ihr vieles aus der Philosophie mit. Sie las Ernst Mach, befasste sich mit Erkenntnistheorie, hatte den Austausch mit der Wiener Gruppe.“
Unter ihrer Nichtwahrnehmung in Wien litt Lassnig massiv. Ihre erste größere Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan hatte sie 1960. Die Gruppe um Monsignore Mauer – darunter Wolfgang Hollegha, Josef Mikl, Markus Prachensky und Arnulf Rainer – nannte sie verächtlich die „Stephansbuben“, berichtet Pakesch. „Auf der Einladungskarte ist sie mit aufgemaltem Schnurrbart zu sehen, in dem Zusammenhang verwendete sie auch den Namen ‚Mario Lassnig‘. Das war schon ein Statement.“
In Paris, wo sie zwischen 1961 und 1968 lebte, bezog sie ein größeres Atelier. Hier entstanden Schlüsselwerke zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Lassnig betrieb Wahrnehmungsmalerei, das vordergründig Visuelle empfand sie als sekundär. Sie malte teilweise auf der Leinwand liegend, entwickelte ihre eigenen Versionen von Action Painting und Pop Art. Und sie schrieb aus Paris Ausstellungskritiken für österreichische Zeitungen.
1968 zog Lassnig nach New York, ging – ein wenig naiv – davon aus, dass sie im Walt-Disney-Konzern unterkommen werde. Das Kino rückte ins Zentrum ihres Denkens, 1970 belegte sie einen Zeichentrickfilmkurs an einer New Yorker Kunstschule, begann damit, Animations- und Experimentalfilme zu realisieren. 1974 gründete sie ein Frauenfilmkollektiv; unter ihren Kombattantinnen fand sich auch die Künstlerin Carolee Schneemann. „Als Filmemacherin kam sie in New York besser durch“, meint Pakesch. „Alles war offener, frischer, neuer, feministischer.“ Ihre Malerei dagegen kam im kunstchauvinistischen New York nicht an, ihr Rückgriff auf den Realismus ödete sowohl die Kunstkritik als auch die Galeristenszene an. Dennoch entstanden gerade in den 1970er-Jahren einige ihrer wichtigsten, pointiertesten und konzentriertesten Bilder, ihr Werk jener Ära blieb jedoch schmal. Lassnig arbeitete unbeirrt weiter, in alle für sie denkbaren Richtungen, ihre Schaffenskurzformel lautete: „Lieber penetrant als elegant.“
Siebdrucke im Forum Stadtpark
Peter Pakesch lernte die Künstlerin in den mittleren 1970er-Jahren kennen, erst nur flüchtig, gewissermaßen im Vorbeigehen: „Damals gab es im Forum Stadtpark, wo ich bereits als Kurator aktiv war, einen Plan-Schrank, der als Grafiklade diente. Dort deponierte man Grafiken, die man zum Verkauf anbieten wollte. Lassnig kam jeden Sommer vorbei und ließ Arbeiten da, rechnete ab und nahm die nicht verkauften wieder mit. Es waren vor allem Siebdrucke, das war ungewohnt und erregte Aufsehen in Graz.“
Als der 26-jährige Pakesch 1981 seine eigene Galerie gründete, dachte er dennoch nicht daran, Maria Lassnig anzurufen. „Ich wollte meine Generation, junge Kunst ausstellen, nicht die deutlich ältere Maria Lassnig, auch meine Freunde Attersee und Pichler nicht. Ich hätte es als strategischen Fehler gesehen, solche in Wien bereits etablierte Positionen zu zeigen. Aber Lassnig war eine regelmäßige Besucherin meiner Galerie, sie interessierte sich extrem für junge Malerei. Sie war weit über 60, wirkte aber extrem jugendlich; von hinten sah sie wie eine ihrer Studentinnen aus. Sie trug gern Sportschuhe, das hatte sie aus den USA mitgebracht, und war auffällig bunt gekleidet.“
Schauraum, bald öffentlich
Inzwischen steht Peter Pakesch im Stiegenhaus, vor Tür 15; das schwere Metallportal, hinter dem zudem ein Schiebegitter liegt, ist so gut gesichert, dass er vier Anläufe braucht, um sich Eintritt zu verschaffen. Der große weiße Raum, in den wir schließlich treten, ist eine Art Museumszone, architektonisch gestaltet vom Büro Artec. Rund 20 Lassnig-Gemälde hängen, trennscharf beleuchtet, an den Wänden – drei, vier Dutzend mehr sind im Inneren zweier weißer Kuben versteckt, befestigt an mobilen Stellwänden. Natürlich ist dies nur ein kleiner Ausschnitt aus Lassnigs Werk: Ein Vielfaches lagert in dem Wiener Depot einer Spedition, dessen Standort Pakesch, wohl auch aus Sicherheitsgründen, nicht nennen will.
Der Schauraum in der Gurkgasse aber, in dem wir stehen, soll demnächst auch einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ab Mitte Jänner soll man sich über die Website der Stiftung für einen Termin, der jeweils Freitag nachmittags angeboten werden wird, anmelden können. „First come, first served“, sagt Pakesch lakonisch. An diesem Ort habe Maria Lassnig bis zu ihrem Tod die meisten ihrer Bilder hinter einem Holzverschlag gelagert; über die Jahre waren einige der Werke durchaus verkommen. Eine Gruppe von sechs oder sieben Bildern erschien sogar so desolat, dass sie diese wegwerfen wollte. Pakesch konnte sie daran hindern und die Werke restaurieren lassen. „Unsere Bestände umfassen, sehr grob geschätzt, über 200 Gemälde, zudem wohl gut über 1000 Zeichnungen. Lassnig hatte in Sachen Lagerung kaum Standards eingehalten, weder klimatisch noch sicherheitstechnisch. Und versichert waren die Arbeiten auch nicht. Wir begannen dann damit, alles zu sichern und zu restaurieren. Jedes Bild wird voll überholt, gereinigt und optimal wiederhergestellt. Die Bilder müssen langfristig haltbar bleiben.“
Lassnig mochte ihr Atelier in der Gurkgasse nicht, weil es hellhörig war und Nachbarn durch die Fenster schauen konnten. „Sie hatte Angst davor, dass man sie beobachten und kopieren könnte“, erinnert sich Pakesch. „Noch kurz vor ihrem Tod suchte sie eine neue Immobilie.“ Das eigenwillige Wesen der Künstlerin ist legendär: „Sie war immens fasziniert von Paarbeziehungen, noch als Professorin befragte sie Studierende ganz indiskret zu deren Liebesleben. Das wäre heute nicht mehr denkbar. Unerfüllte Liebe war eines ihrer Hauptthemen.“ Die Fotografie als Medium habe sie gehasst, als Bedrohung gesehen, erklärt Pakesch; „aber sie spielte virtuos mit ihr, denn sie ließ sich tatsächlich sehr gern fotografieren, inszenierte sich vor den Kameras Elfie Semotans und Sepp Dreissingers.“
Das Testament der alten Dame
Maria Lassnig habe Pakesch erstmals 2002 gefragt, ob er sich vorstellen könne, ihr Erbe zu verwalten. „Sie machte immer wieder Änderungen, welche Leute in den Vorstand sollten. Am Ende gab es eine nicht alphabetische Liste, auf der mein Name ganz oben stand.“ Das Gründungsdokument der Stiftung ist zugleich Lassnigs Testament; sie hatte keine Nachfahren, ihr gesamtes Vermögen ging an die Stiftung, die nun dafür zuständig ist, Lassnigs Werk zu konservieren, zu beforschen, zu präsentieren, zu vermitteln. Man fördert Dissertationen, erstellt ein detailliertes Werkverzeichnis. Ein hoch dotierter Maria-Lassnig-Preis wird biennal an Leute vergeben, die sich etwa in der Mitte ihrer Karriere befinden – auch dies ein Wunsch der Künstlerin.
Förderungen der öffentlichen Hand nimmt die Stiftung nicht in Anspruch: „Es ist nicht nötig, sich in Abhängigkeiten zu begeben. Die Stiftung kann sich selbst tragen.“ Durch Werkverkäufe nämlich. Die Lassnig-Bestände wurden streng klassifiziert: „Die Hälfte ist Kernsammlung und wird nicht verkauft. Die andere Hälfte teilt sich in jene Werke, die nur für Museen bestimmt sind, und in solche für den freien Verkauf an bedeutende Privatsammlungen.“ Es sei wichtig, am Kunstmarkt, bei Messen etwa, Flagge zu zeigen, meint Pakesch: „Wenn eine Gegenwartskünstlerin dort nicht präsent ist, bleibt sie unsichtbar.“ Auktionen werden nicht von der Stiftung beliefert. Viel wichtiger ist die Unterbringung von Lassnig-Arbeiten in bedeutenden Museen. Denn sie ist – im Gegensatz zu Österreich – noch zu wenig präsent in großen internationalen Sammlungen und Museen. Die Preise gestaltet die Stiftung in Abstimmung mit jenen Galerien, die als Zwischenhändler fungieren – und der Marktwert Lassnigs steigt immer noch ständig. Siebenstellige Summen für wichtige Lassnig-Werke sind heute keine Seltenheit mehr. Im Juni 2021 lukrierte eines ihrer großformatigen Gemälde von 1980, das den Titel „Wilde Tiere sind gefährdet“ trägt, im Wiener Dorotheum fast 1,4 Millionen Euro.
Als Lassnig 1980 ihre Professur in Wien antrat, kam es zur Konsolidierung ihrer Karriere. „Sie kehrte heim als große alte Dame, die aber immens vital und jung malte, zu einer Zeit, in der Künstler wie Rainer oder Nitsch längst in ihre Muster verfallen waren. Sie stieß noch im Alter ganz neue Türen auf. Wäre sie in Amerika geblieben, ihre Laufbahn wäre nicht derart aufgegangen. In ihren beiden letzten Dekaden und damit zu Anfang des 21. Jahrhunderts legte sie noch einmal ein gewaltiges Œuvre hin.“ Pakesch steht vor einem ihrer letzten Gemälde, den vieldeutigen „Wörtherseenymphen“ von 2011: „Das könnte eine 20-Jährige gemalt haben.“
Unerreichte Komplexität
Ihre globale Bedeutung stehe fest, meint Pakesch, bei allem Respekt vor Valie Export und Martha Jungwirth, vor Günter Brus und Hermann Nitsch: „Aber Franz West und Maria Lassnig sind wohl ziemlich die einzigen österreichischen Kunstschaffenden, die international voll reüssieren konnten – und deren Werke in die Gegenwart hineinreichen.“ Der Komplexität einer stilistisch derart vielfältigen, über acht Jahrzehnte sich erstreckenden Kunstproduktion wie jener Lassnigs ist eben schwer beizukommen.
Aber in den Olymp der Gegenwartskunst zu kommen, das hieß auch: es ins New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) zu schaffen, in dessen Sammlung sich heute zwei Lassnig-Gemälde finden, die knapp vor dem Tod der Künstlerin erworben wurden. Die letzte Ausstellung, die sie noch erlebt hat, fand in der Nebenstelle des MoMA, im PS1 statt, das im Stadtteil Queens ansässig ist. Das war im Frühling 2014.
„Ein lang gehegter, großer Traum“ sei das gewesen, wie Peter Pakesch sich erinnert. „Sie konnte nicht mehr selbst anreisen, aber man schickte ihr die Rezensionen zur Ausstellung. Als ich sie zum letzten Mal sah, saß sie vor einer großen doppelseitigen Rezension, die in einer wichtigen amerikanischen Zeitung erschienen war: Sie hatte sich in Pose geworfen, als wäre sie Teil einer Performance, und las darin.“ Ein präzise gestaltetes Künstlerinnenleben, bis zuletzt.
Ruhm posthum
Maria-Lassnig-Präsentationen in Beijing, Mannheim, München – und bald auch im Kino.
Lassnig-Aktualitäten, so weit das Auge reicht: In der chinesischen Hauptstadt, der 22-Millionen-Metropole Peking, wird die Künstlerin seit Anfang September (und noch bis zum 7. Jänner) mit einer großkalibrigen Ausstellung geehrt. Unter dem Titel „Happy Martian“ zeigt man im UCCA Center for Contemporary Art im 798-District Werke aus allen Schaffensphasen der Künstlerin. Betreut wurde die Schau von der Albertina-Kuratorin und Lassnig-Spezialistin Antonia Hoerschelmann; eine geschätzte Viertelmillion Menschen wird dort mit den Visionen der Kärntnerin konfrontiert; über das starke Interesse auch renommierter chinesischer Kunstschaffender freute sich Peter Pakesch schon bei der Eröffnung. Lassnigs zeichnerisches Werk wird derzeit in der Münchner Galerie Jahn und Jahn (bis 13.1.) einer genaueren Betrachtung unterzogen; und in der Kunsthalle Mannheim (bis 11.2.) wird Lassnigs Schaffen mit dem der Zeitgenossinnen Nan Hoover und Anneliese Hager konfrontiert. Das Interesse an der Kärntnerin wird nicht so bald abreißen: Im Wiener Künstlerhaus soll es im Frühling eine große Lassnig-Schau geben, 2026 wird die Künstlerin im Duett mit dem norwegischen Prä-Expressionisten Edvard Munch in der Kunsthalle Hamburg und im Kunsthaus Zürich gewürdigt werden. Und auch im Kino wird man Lassnig demnächst wiederbegegnen können: Die Wiener Filmemacherin Anja Salomonowitz bietet für ihre biografisches Dokudrama „Mit einem Tiger schlafen“ immerhin Birgit Minichmayr als Maria Lassnig auf. Ein Spielfilm „über die Malkunst und die Liebesgeschichten“ der Künstlerin wird versprochen, zugleich ein Dokumentarfilm „über die Härte des männlichen Kunstgeschehens“. Das Werk wird vermutlich im Februar 2024 uraufgeführt werden. Die Vorfreude ist groß.
Stefan Grissemann
leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.