Das "Flex" in Wien

Wien: Erster umfassender Forschungsbericht zur Clubkultur

Gehsteigraucher, Behörden, weiße Pferde – was Wien nachtlebenswert macht (und was nicht): der „Forschungsbericht Clubkultur Wien“.

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Die Wiederauferstehung des österreichischen Nichtraucherschutzgesetzes am 1. November dürfte für einigen Bahö sorgen. Insbesondere vor Diskotheken, Clubs und Bars ist mit steigender Lautstärkeentwicklung und entsprechenden Anrainerkonflikten zu rechnen. Auch die Lösung dieser Konflikte ist absehbar. Sie wird österreichisch ausfallen: einmal so, einmal so. Leider endet das Problem damit noch lange nicht. An verlässlichen Vorgaben und deren planbarer Durchsetzung fehlt es im Nachtleben nämlich nicht nur in Bezug auf Gehsteigraucher.

"Was in Wien möglich ist"

„Es sind Gesetze, Genehmigungen, Abgaben, Regeln und Vorschriften, die darüber bestimmen, was in Wien möglich ist“, schreiben die Journalisten Yasmin Vihaus und Stefan Niederwieser in ihrem soeben veröffentlichten „Forschungsbericht Clubkultur Wien“. Und weiter: „Ob man nun auf einem weißen Pferd in den Club einreitet, ob man um sieben Uhr in der Früh noch tanzt, wie lautstark es dann sein darf oder ob eine Razzia mit einer gepanzerten Ordnungsdiensteinheit das Ganze auflöst, wird nicht erst am Abend selbst entschieden. All das hängt auch von zuvorkommenden Beamt*innen ab, von ihren Ressourcen oder von jenen, die denken, sie müssten sich mit einer Aktion scharf bekannt machen. Und nicht zuletzt von den Diskussionen darüber, wie eine Stadt aussehen soll, in der wir leben wollen. Alles, was an Clubkultur fad ist, führt am Ende des Tages dazu, dass sie lebt. Oder dass sie stirbt.“

Zum kulturellen, ökonomischen und sozialen Stellenwert der Clubkultur sowie deren Verkomplizierung durch widersprüchliche Interessenlagen existieren allein in Wien rund zigtausend Vermutungen, Meinungen und Anekdoten, aber relativ wenige valide Daten. Einen ersten Schritt in diese Richtung unternahmen Vihaus und Niederwieser mit ihrem von der Kulturabteilung der Stadt Wien geförderten Bericht. Die Arbeit versteht sich dabei auch als Diskussionsgrundlage: Braucht Wien, nach dem Vorbild anderer europäischer Großstädte, eine Institution, die in clubkulturellen Dingen verbindlich zwischen Behörden, Betreibern und Anrainern vermittelt? Was soll diese Stelle sonst noch leisten? Wem soll sie unterstehen, mit welchen Zielen operieren? Und, nicht zuletzt: Wie soll sie heißen? Zur Inspiration ein paar internationale Vorbilder: Nachtburgemeester (Amsterdam), Clubcommission (Berlin), Night Embassy (Budapest), Nachtstadtrat (Zürich), Night Czar (London). Unverbindliche profil-Empfehlung: Clubchef.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.