Hermes Phettberg 2014 in seiner Wiener Wohnung
Nachruf auf Hermes Phettberg

Viel Spaß, lieber Gott!

Nachruf auf den Wiener Redekünstler und Kolumnisten Hermes Phettberg, 1952–2024.

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Der eine geht, der andere kommt. Ist von Hermes Phettbergs Ableben am gestrigen Mittwoch die Rede, drängen sich Worte wie „Himmelfahrt“, „Nächstenliebe“, „Vergebung“ fast automatisch auf, große Begriffe des Christentums. Für Hermes Phettberg gab es wohl tatsächlich keinen besseren Todeszeitpunkt als an den Tagen vor Weihnachten. Phettberg geht, der Heiland wird geboren. 

Der Aktionist, Ex-TV-Entertainer, Schöpfer gewaltiger Denk- und Schreibanstrengungen und langjährige „Falter“-Kolumnist war so etwas wie Gottes unheiligster Stellvertreter auf Erden, ein nimmermüder Vereinsmeier in Sachen Liebe und Erotik, Mitbegründer der „Libertine Sadomasochismusinitiative Wien“ und des Projekts „Polymorph Perverse Klinik Wien“.

Mit Lust, Verve und Laster lotete er in seinen Texten und Kleinbühnenauftritten jahrzehntelang die Wege und Abwege ins Himmelreich aus: ein wundervoll-wunderlicher Mann, der sämtliche Schwierigkeitsgrade, die Extreme gemeinhin trennen, schwungvoll übersprang. Phettberg war ein großer Menschenfreund – und ein Monument an Einsamkeit. Er blühte auf den Showbühnen der kleinen Wiener Welt auf – und saß, tonnenschwer von Depression und Selbstzweifel bedrückt, verängstigt in jener Wohnung im sechsten Wiener Gemeindebezirk, in der er über Dekaden lebte, die schließlich zu einem Museum seiner selbst zu wucherte. 

Hermes Phettberg, unter dem bürgerlichen Namen Josef Fenz im niederösterreichischen Hollabrunn geboren, brachte es mit Bravour zuwege, zugleich ein sehr menschlicher Götterbote zu sein, der uns Sterblichen die Botschaften des Herrn im Himmel überbrachte. Im selben Augenblick war er ein zutiefst der Realität verhafteter Gegenwartsbeobachter und eine TV-Größe, mit all seinem einstigen Übergewicht. Für die Jüngeren: Das ORF-Talkformat „Nette Leit Show“, eine Kreativ-Koproduktion von Regisseur und Showrunner Kurt Palm gemeinsam mit Phettberg, avancierte zwischen 1995 und 1996 gleichsam über Nacht zum TV-Instant-Klassiker. 18 Folgen lang „interviewte“ Phettberg Prominente, sprich: Er erfand den abgenudelten TV-Talk neu, er gab das Promi-Gefasel anderer Kanäle der Lächerlichkeit in seiner reinsten Form preis. Wenige Tage vor dem Christfest ist Hermes Phettberg nun gestorben, der hienieden zur Künstlerkönigsklasse zählte. Viel Spaß, lieber Gott! 

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.