Notstrom und Dosenbier: Die Wolf-Haas-Verfilmung "Das ewige Leben"

Die depressivste Komödie aller Zeiten: Wolfgang Murnbergers und Josef Haders eindrucksvolle neue Wolf-Haas-Bearbeitung "Das ewige Leben“.

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Die Gesichter der Gestrandeten, der Perspektiv- und Mittellosen, gefangen in den Mühlen der Sozialhilfebürokratie, geben diesem Film seinen Grundton. Vom Leben gezeichnet ist auch Simon Brenner, Ex-Polizist, Privatdetektiv, Schmerzpatient. Er sei "freiberuflich“, erklärt er, habe "nix verdient“, und nein, über einen Wohnsitz verfüge er derzeit nicht. Er habe gerade "eine schlechte berufliche Phase“. Lustig ist das vorerst nicht, für eine Komödie sogar erstaunlich freudlos. Glücklicherweise. Denn die Brenner-Erzählungen sehen sich nicht dazu gezwungen, die Wirklichkeit, von der sie handeln, im Dienste irgendwelcher Unterhaltungsbedürfnisse auszuklammern oder auch nur: zu beschönigen. Nein, schön ist es nicht, was "Das ewige Leben“ (Kinostart: 5. März) zu zeigen hat.

So kehrt der Brenner im strömenden Regen in seine graue Heimatstadt zurück, nach Graz, wo er, wie er sich dann doch erinnert, ein lädiertes Reihenhaus besitzt. Der Rückzug in die Steiermark, in ein improvisiertes Leben mit Notstrom, Selbstmordgedanken und Dosenbier, wird zu einer Wiederbegegnung mit ein paar falschen Freunden (und ein paar sehr dunklen Geheimnissen) von damals.

"Das ewige Leben“ ist, nach "Komm, süßer Tod“ (2000), "Silentium!“ (2004) und "Der Knochenmann“ (2009), die bereits vierte gemeinsame Anstrengung des Regisseurs Wolfgang Murnberger und seines Koautors und Hauptdarstellers Josef Hader, dem Bestsellerautor Wolf Haas filmisch gerecht zu werden. Schwarze Komödien sind das, mit genuin österreichischem Tonfall, vom zahlenden Publikum honoriert: Erfolgreicher als "Der Knochenmann“ mit seinen 280.000 Besuchern war unter Österreichs Kinofilmen der vergangenen zehn Jahre nur der Sackbauer-Epilog "Echte Wiener“.

Depressiver als "Das ewige Leben“ sind gute Lustspiele nicht denkbar. Und lustig ist dieser Film, trotz allem, sehr: Der lakonische Witz der Vorlage, gepaart mit dem trockenen Verliererpathos Haders, ergibt eine morbide Slowburn-Tragikomödie mit krimineller Energie. Dem Teufelskreis des Pessimismus entkommt man hier allenfalls per Herzstillstand; im Landeskriminalamt arbeiten Schwerverbrecher, und sogar die pastellfarbene Erinnerung an die Jugendzeiten ist, wenn man genauer hinsieht, mit Tragödien gepflastert. Murnberger bewegt sich souverän durch die nicht ganz unkomplizierte Story; Roland Düringer und Tobias Moretti umspielen Hader kongenial; Nora von Waldstätten kontrastiert die Männerphalanx wirkungsvoll, und vor drastischen Pointen, derber Sprache und blutigen Überraschungen schrecken Haas, Hader und Murnberger keineswegs zurück. Erstaunlich, wie viel Freude gut orchestrierter Trübsinn machen kann.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.