Zierhofer-Kin lässt die Wiener Festwochen hinter sich
Veronica Kaup-Hasler, Wiens neue Kulturstadträtin, steht nach dem jähen Abgang des Festwochen-Intendanten Tomas Zierhofer-Kin vor ihrer ersten echten Herausforderung: Sehr schnell muss sie nun eine – vermutlich interimistische – Lösung finden für ein Festival, dessen Programm für 2019 in wenigen Monaten fixiert sein muss. Die Wiener Festwochen bleiben also vorerst in der Krise, die seit vorigem Jahr, seit der Ausgabe 2017 lautstark konstatiert wird: Zu heftig hatte Zierhofer-Kin versucht, das Festival zu „verjüngen“, es dabei aber auch theoretischer, akademischer zu machen. Zu seiner Ehrenrettung muss angemerkt werden, dass dies wohl auch der Auftrag an ihn war: Ex-Kulturstadtrat Mailath-Pokorny hatte den Salzburger Kulturmanager explizit dafür engagiert, die gutbürgerlichen Festwochen ein wenig zu entstauben, zukunftsfähig zu machen.
Flair geht, Irritation kommt
Praktisch allerdings verlor das Festival durch sein Zutun einiges an Flair – und gewann an Chaos und Irritation. Natürlich konnte man auch unter Zierhofer-Kin da und dort spannende Performances, Konzerte oder Kunstereignisse erleben, aber zu oft leider auch entbehrliche, aufgeblasene Fake-Avantgarde. Nach seiner ersten Saison ortete Zierhofer-Kin, wohl auch aus Selbstschutz, vor allem kommunikative Schwächen. Er besserte nach, verzichtete auf allzu kryptische Programmtexte, trennte sich von seinen Kuratoren, versuchte auch das weitgehend abgesprungene Bürgertum wieder zurück ins Boot zu holen. Aber er versprach auch in diesem Jahr zu viel: Das akustisch lausige Konzert von New Order flankierte man mit dem Begriff der „immersiven Lichtarchitektur“ – zu sehen war aber bloß eine banale Durchschnitts-Lightshow. „The Song of Roland: The Arabic Version“ wurde als Inszenierung angekündigt, war jedoch nur ein Konzert mit mühsam zu lesenden Übertiteln.
Vor Kurt Hentschlägers „Feed.X“ mussten die Zuschauer unterschreiben, nicht unter Klaustrophobie zu leiden, nicht schwanger zu sein, keine Herzprobleme zu haben. Die Angst vor der Vorstellung war dann allerdings schon das Highlight, es folgten in die Jahre gekommene Visuals und eine dichte Nebelwolke, auf die bunte Lichter projiziert wurden: eh nett, aber wer dies tatsächlich als bewusstseinserweiternd empfunden hat, sollte vielleicht wirklich zum Arzt gehen. Was als subversiv angekündigt wurde, verblasste real: Dries Verhoevens Geisterbahn „Phobiarama“ war auf sinnlicher Erfahrungsebene gelungen, verärgerte aber durch seine plumpe politische Ansage.
Das Programm war dünner als je zuvor
Die Festwochen waren stets starke Produzenten. Ein Festival, das über ein Gesamtbudget von 12,5 Millionen verfügt, muss Impulse in die Welt senden, als reine Abspielstätte verfehlt es seine eigentliche Aufgabe. Im Vorjahr hatte Zierhofer-Kin zumindest den sympathischen Wirrkopf Jonathan Meese mit einer Oper im Programm, heuer waren die Uraufführungen – sieht man von kleineren Projekten ab – äußerst dünn gesät. Das aber war fatal für das Image des Festivals: Eine ausländische Öffentlichkeit (und die deutschsprachigen Feuilletons) zu interessieren fällt schwer, wenn man das Gros der Programmpunkte auch anderswo sehen kann. Im Opernbereich war es heuer besonders trist, aber auch in Sachen Theater tritt man seitens der Festwochen inzwischen mehr als Koproduzent und Präsentator älterer Arbeiten auf, kaum noch als Initiator. Dabei hatte Zierhofer-Kin ausreichend lange Vorlaufzeit, um zumindest ein oder zwei Großprojekte pro Saison anzuwerfen. Wo floss der (durchaus stattliche) Etat der Festwochen in diesem Jahr hin? Das Programm war nachweislich dünner als je zuvor, wurde von 39 Ereignissen 2017 auf 30 reduziert.
Die Festwochen haben in der Ära Zierhofer real an Bedeutung verloren: Man stritt nicht mehr leidenschaftlich, war heuer schon froh, dass es nicht so katastrophal lief wie im letzten Jahr. Frie Leysen gelang es als Schauspielkuratorin 2014 in nur einem Jahr, ein eigenständiges, unverwechselbares Profil zu entwickeln. Sie musste sich nicht verbiegen, um ihr Publikum zu erreichen. Zierhofer-Kins Programm war hingegen learning by doing. Abgesehen von seinem Faible für Clubformate fehlte ihm eine klare Vision – wohl auch, weil 2018 erneut unzählige Kuratoren und Dramaturgen am Werk waren. Die Zukunft der Festwochen ist nun ungewiss. Man muss dem Festival Aufregung wünschen. Mehr zu reden und zu streiten. Und vor allem: Neues zu entdecken.