Kultur

Zug zum Coup: Fünf Beispiele junger Kunst aus Österreich

Unterwegs zur Spitze: profil stellt junge österreichische Kunstschaffende verschiedenster Disziplinen vor: Mo Harawe, Greta Lauer, Lukas Sternath, Elena Wolff und salute. Fünf hochproduktive Menschen unter 35, die man im Auge behalten sollte.

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Mo Harawe, 32

Filmemacher

Wie souverän der Wiener Filmemacher Mo Harawe in Bildern, Farben und Tönen erzählen kann, wurde bereits in den beiden Kurzfilmen deutlich, die er 2020 („Life on the Horn“) und 2022 veröffentlichte – und mit denen er größere internationale Wahrnehmung in Festivalkreisen generieren konnte. Insbesondere der Naturalismus seines leisen Gefängnismelodrams „Will My Parents Come to See Me?“ (2022), in dem sich die routinierten institutionellen Abläufe rund um einen inhaftierten jungen Somalier erst allmählich zur Tragödie verdichten, blieb im Gedächtnis.

Das in Cannes vor einem halben Jahr uraufgeführte Langfilmdebüt des in Mogadischu geborenen, seit 15 Jahren in Österreich lebenden Künstlers heißt nun „The Village Next to Paradise“ – und hat soeben hiesige Kinos erreicht. Es erzählt in langen Einstellungen, mit hohem Formbewusstsein, sparsamen Dialogen und wenig Musik die Geschichte einer somalischen Patchwork-Familie, die an der Küste im äußersten Osten Afrikas lebt. Vor wenigen Tagen erst wurde jenes Werk, das in aller Ruhe das zunehmend fesselnde Porträt dreier aufeinander angewiesener, sich selbst auf je eigene Weise im Weg stehender Menschen entwirft, im Rahmen der Viennale mit dem Wiener Filmpreis ausgezeichnet. Die Ehre ist angemessen: Österreichs Filmszene gewinnt mit Mo Harawes Produktionen alternative Perspektiven, Einblicke in Lebenswelten, die einem sonst verschlossen blieben. 

Fast analog zu seiner filmischen Arbeit erscheint der Regisseur, der seit einigen Jahren auch an der Kunsthochschule in Kassel Visuelle Kommunikation studiert, im persönlichen Kontakt konzentriert, zurückhaltend, sympathisch in sich ruhend. Er drehe seine Filme nicht, um sein Ego zu befriedigen oder bloß seine Meinung zu einem Thema kundzutun, sagte Mo Harawe im vergangenen Frühling im profil-Interview; er wolle vielmehr „ohne Werturteile und Lösungsvorschläge verschiedene Positionen darstellen. Ich behandle meine Themen nicht mit erhobenem Zeigefinger; ich stelle etwas dar, zu dem andere sich ihre Meinung selbst bilden sollen.“

Eine fundamentale Offenheit trägt seine filmischen Kompositionen: Sie sind „elementar“ in jedem Sinne, hergestellt aus Erde, Wasser, Luft und Feuer, und in ihrem grundlegenden Humanismus für uns alle von Bedeutung. 

Greta Lauer, 34

Schriftstellerin

Es ist leicht, die Provinz, von der Greta Lauer erzählt, schrecklich zu finden. Es ist zu leicht. Lauer hat im Vorjahr den Text „Gedeih und Verderb“ veröffentlicht, einen Bericht über das Leben im Hinterland, für den sie keine Schubladen mit den glattgebügelten Standardsätzen öffnet, dem sie ebenso wenig das Etikett „Antiheimatliteratur“ anheftet. In „Gedeih und Verderb“, Lauers erstem Buch, aufgelegt im Wiener Kleinverlag Luftschacht, passiert viel Zauberisches dunkler Art, in so knapper wie kryptischer Sprache. Es ist ein außergewöhnliches, bislang zu wenig wahrgenommenes Debüt.

Lauer wuchs in Lavamünd auf, im östlichsten Teil Kärntens, an der Staatsgrenze zu Slowenien. Sie studierte in Wien Germanistik und Philosophie, arbeitete am Berliner Ensemble und an der Schaubühne, lebte für längere Zeit in Paris und Kairo, arbeitete in Einrichtungen für psychisch kranke Rechtsbrecher sowie in Bars. „Lesen und Schreiben stürzten erst nach dem Studium über mich herein“, erinnert sie sich beim Treffen in einem Café beim Wiener Wallensteinplatz. Es waren und sind Autorinnen und Autoren wie Oswald Egger, Christine Lavant, Ágota Kristóf und Dagmara Kraus, die Lauer vom Lesen zum Schreiben brachten.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.