profil macht schlau

Was tun, wenn der Partner in Grundsatzfragen eine völlig andere Meinung vertritt?

Sie ist geimpft, er weigert sich standhaft: Wie man in einer Beziehung mit existenziellen Gegensätzen umgeht.

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Situationen wie diese gibt es seit Beginn der Pandemie häufig: Einer befolgt die Corona-Maßnahmen ohne Murren, der andere widersetzt sich unter lautem Protest. Einer will das gemeinsame Kind unbedingt gegen Corona immunisieren lassen, der andere ist strikt dagegen. Kann man der Streitspirale entkommen oder ist eine Trennung der letzte Ausweg?

Wie man auf Krisen reagiert, basiere oft auf den Erfahrungen in der Kindheit, sagt Paartherapeutin Julia Peirano in der Zeitschrift „Stern“. „Einige werden besonders vernünftig und halten sich an Regeln – vielleicht, weil sie in ihrem Elternhaus gelernt haben, dass man die gestressten Eltern nicht noch weiter provozieren und belasten darf, sondern lieber einfach mitmacht. Und andere werden bei Belastungen erst recht rebellisch, um Aufmerksamkeit zu bekommen oder sich selbst zu spüren.“ Der eine hat also gelernt, Autoritäten zu vertrauen, der andere nicht. Das birgt in Zeiten von Maßnahmen, Impfpflicht und Kontaktbeschränkungen ordentlich Konfliktpotential.

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Sie lesen einen Artikel aus der Serie "profil macht schlau", in der Fragen des Alltagslebens beantwortet werden. Näheres zu der Serie und weitere Teile können Sie hier nachlesen.

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Atempause in der Endlos-Diskussion

Grundsätzlich gilt: Dem Gegenüber zuerst einmal Raum geben, seinen Ausführungen zuhören und irgendwann sagen: „Gut, ich habe eine andere Meinung dazu, willst du sie hören?“ Doch die meisten Paare haben sich nach zwei Jahren Pandemie weit über dieses Stadium hinauskatapultiert und ihre Positionen festgefahren. Die Psychologin Nathalie Krahé rät im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur zu einer Atempause. Man könne sich sagen: „Da sind alle Worte ausgetauscht, wir kommen aktuell nicht auf einen Nenner. Ich will aber weiter mit dir zusammen sein – lass uns da in ein paar Monaten wieder darüber reden und uns stärker auf das Verbindende konzentrieren.“

Einer will das gemeinsame Kind impfen, einer nicht

Was aber ist, wenn auch Kinder zwischen die Fronten geraten und sich ein Paar nicht einig wird, ob es durch eine Impfung vor Covid-19 geschützt werden soll oder nicht? Eine knifflige Frage, die Paartherapeut Wolfgang Schmidbauer in der „Zeit“ zu lösen versucht. Zuerst einmal müsse man aufhören zu glauben, der Partner sei genauso wie man selbst. „Ein naiver Gedanke. Es ist eine Illusion, dass es immer möglich ist, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.“ Er schlägt zwei Möglichkeiten vor: Die erste ist das Los. Man wirft zum Beispiel eine Münze, der Verlierer akzeptiert seine Niederlage und trägt die Entscheidung mit. Der Vorteil: Niemand habe sich durchgesetzt, sondern einer habe eben Pech gehabt, so Schmidbauer. Die zweite Möglichkeit ist weniger radikal. Dafür müssen sich die Eltern auf eine Kinderärztin oder einen Kinderarzt einigen und tun, was sie oder er ihnen rät. Die Schwierigkeit hierbei: Die Medizinerin muss natürlich von beiden anerkannt, ihr Urteil akzeptiert werden.

Schwerer Fehler: Das Kind gegen den Widerstand des anderen impfen lassen

In seiner Praxis hat Therapeut Schmidbauer immer wieder Menschen sitzen, die ihren Partner vor vollendete Tatsachen stellen. Er berichtet vom Fall einer Frau, die ihren Buben gegen den Willen seines Vaters beschneiden ließ. Davon rät der Experte eindringlich ab: „Es ist mühsam, so einen Vertrauensbruch zu kitten.“ Im beschriebenen Fall habe der Mann erkennen müssen, dass seine Frau nicht böse und er ihr auch nicht egal sei, sondern dass sie schlicht Angst gehabt hatte, sich nicht durchsetzen zu können. In ihrer traditionell geprägten Vorstellung hatte es für sie Vorrang, dem Kind durch die fehlende Beschneidung nicht zu schaden.

Letzter Ausweg Trennung?

Nathalie Krahé warnt jedenfalls vor einer übereilten Entscheidung. Existenzsorgen und Überbelastung sind für viele Menschen Teil der Pandemie und können einen Streit schnell eskalieren lassen. „Manche verhalten sich in dieser Situation einfach irrational – und sagen unbedachte Dinge“, so die Expertin vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Vielleicht habe unter der Oberfläche bereits ein Konflikt geschwelt, der sich unter dem Brennglas der Pandemie zum Brand entfacht habe. „Das findet man aber nur mit Zeit und Abstand heraus.“

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.