Elfriede Hammerl Homemade
Neulich im Radio: Eine Moderatorin und eine Ernährungsexpertin plaudern über die Bedeutung gesunden Essens. Viel ist die Rede von der Wichtigkeit des selber Kochens und davon, dass in den Familien kaum noch gekocht werde. Statt sich der Nahrungszubereitung zu widmen, würden die Menschen vor dem Fernseher sitzen. Mittlerweile gäbe es Jugendliche, die nur noch Kantinenessen kennen würden: Kindergartenkantine, Schulkantine, demnächst Firmenkantine.
So wie das gesagt wird, hört es sich ziemlich schrecklich an. Man sieht bedauernswerte junge Leute vor sich, krank von minderwertigem Fraß, geschmacksgeschädigt durch Chips, Fertig-Pommes und picksüße Limonaden.
Das Bild ist realistisch, keine Frage, die Ernährungsgewohnheiten aber auch Ernährungsmöglichkeiten großer Bevölkerungsgruppen sind tatsächlich reformbedürftig, trotzdem kommt Ärger auf bei dem ständigen medialen Geseufze (die beschriebene Radiosendung ist ja kein singulärer Ausreißer) über angeblich verlorengegangene Kochkünste und Esstraditionen.
Wer oder was ist denn konkret gemeint, wenn geklagt wird, dass in den Familien nicht mehr gekocht würde? Wer sind die Menschen, die angeblich lieber vor dem Fernseher sitzen statt in der Küche Gemüse zu schnipseln und Rouladen zu dünsten? Pflichtvergessene Hausangestellte? Honorige Familienväter, die nicht wie einst die Küchenschürze umbinden und an den Herd eilen, sobald sie aus dem Büro heimkehren? Oder doch wieder einmal die Hausfrauen und Mütter? Und welches Mutterbild wird beschworen, wenn gefordert wird, dass Kinder selbst Zubereitetes essen sollen statt Großküchenfutter? Das der tüchtigen Buchhalterin, die in der Mittagspause heimeilt, um ihren Nachwuchs mit frisch zubereitetem Steinpilzrisotto zu füttern oder das der 1950er-Jahre-Mutti, die ihre Küche nur verlässt, um auf dem Markt die schönsten Fisolen zu ergattern?
Ich zweifle wie gesagt nicht daran, dass auf dem Ernährungssektor viel im Argen liegt. Wenn ich bei den Supermarktkassen sehe, was sich in manchen Einkaufswagen türmt, kriege ich schon vom bloßen Hinschauen Gallenanfälle und einen Zuckerschock, wobei die Warenauswahl im Übrigen zeigt, dass selbst Gekochtes keine Garantie für Bekömmliches ist die Grillwürstel und das fette Schweinerne, die da demnächst daheim, in den Familien, verwertet werden, fallen sicher nicht unter frisch & ausgewogen.
Daher: Aufklärung ja. Ernährungslehre und Kochunterricht an den Schulen: überaus wünschenswert. Aber passen wir um Himmels willen auf, dass dabei nicht Rollenbilder beschworen werden, die wieder einmal zulasten der Frauen gehen. Keine Frauen-an-den-Herd-Politik (auch wenn das die Arbeitslosenstatistik schönen würde)! Nicht kritisieren, dass in den Familien nicht mehr gekocht wird, sondern gesünderes Essen in den Kindergärten, an den Schulbuffets, in den Firmenkantinen verlangen! Bessere Großküchen fordern beziehungsweise kleinere Schul- und Firmenküchen statt Fließbandkost vom Giganto-Zulieferer!
Halten wir einmal fest: Täglich frisch zubereitete Nahrung im Klein-Haushalt anzubieten erfordert einen nicht zu unterschätzenden Aufwand an Zeit und Arbeitskraft. Ja, es gibt Gerichte, die relativ schnell hergestellt sind, trotzdem ist es eine Augenauswischerei, wenn so getan wird, als ließe sich die ausgewogene Verköstigung einer mehrköpfigen Familie mit selbst Geköcheltem spielend und nebenbei erledigen.
Das Delegierenkönnen ist ein Fortschritt, weil es den einzelnen Haushalt entlastet. Die arbeitsteilige Gesellschaft wäre im Prinzip ja eine vernünftige Erfindung, sie setzt Energien frei und ermöglicht theoretisch, dass Menschen sich auf Tätigkeiten konzentrieren können, für die sie einigermaßen talentiert sind. Praktisch ist dabei, zugegeben, einiges schief gelaufen. Gift in Lebensmitteln, Gift in Kleidungsstücken, dazu Ausbeutung und Sklaverei bei der Herstellung, das alles wird zu Recht angeprangert. Aber was folgt daraus? Dass der einzelne Haushalt möglichst zum Selbstversorger werden soll, wo vom Erdäpfelanbau auf dem Balkon bis zum Weben der Kleiderstoffe nichts mehr nach außen abgegeben wird? Wird irgendwie nicht zu machen sein und wäre auch unlustig, denn es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen Stricken und Basteln als Hobby und einem täglichen Zwang, für die gesamte Grundversorgung zuständig zu sein.
Natürlich soll in den Familien gekocht werden und zwar durchaus mit Lust, Freude und Sachkenntnis, aber doch nicht deshalb, weil wir es als unumgänglich akzeptieren, dass in Kindergärten, an Schulen und an Arbeitsplätzen bloß minderwertiger Fraß angeboten wird. (Ein eigenes Kapitel sind übrigens die öffentlichen Spitäler, wo ebenfalls häufig schwer genießbare Kost serviert wird. Ein Verschulden der Angehörigen, weil sie kochen lassen, statt Selbstgebrutzeltes ans Krankenbett zu bringen?)
Fernsehen statt Strudelteigausziehen ist jedenfalls nicht per se verwerflich. Verwerflich ist bloß ein Großteil der angebotenen Sendungen, aber auch hier heißt es: Qualität fordern statt Müll hinnehmen.n